Mumford & Suns – Delta
Mumford & Sons bleiben konsistent: Delta ist bereits das vierte Griff ins Klo der Band und mittlerweile sogar auch schon der zweite am Stück, bei dem dies aufgrund einer charakterlosen Austauschbarkeit im Auftreten absolut egal ist.
Es gibt da diese Momente auf Delta, die andeuten, dass es sich für Marcus Mumford und Anhang durchaus ausgezahlt haben hätte könnte, für Wilder Mind vor 3 Jahren jedwede Identität über Bord geworfen zu haben – also die penetrant-leidenschaftliche Eindimensionalität von Sight No More und Babel, die praktisch alles destillierte, was am Neo Folk-Hype der frühen 10er Jahre hassenwert war, gegen eine vollkommen beliebige Hinwendung zum Stadionrock einzutauschen, die es sich im Vorprogramm von Coldplay in den Möglichkeiten der synthieschwangeren Arena-Inszenierung bequem gemacht hatte. Besagte Momente sind keine Lichtblicke per se, aber eben Szenen, die suggerieren, dass Mumford & Sons diesen Umbruch doch auch bewusst aus kreativer Sicht begangen haben, um sich eine größere stilistische und inszenatorische Variabilität zu ermöglichen.
Das ist aber praktisch nur so lange der Fall, bis der Opener 42 den Pathos der Band auf synthetischer Ebene als Opener stimmungsvoll zwischen Imagine Dragons und Snow Patrol strickt, während Woman mit seinem schnipsenden Elektro-R&B Beat und der dängelnden Gitarre frech im Fahrwasser von Alt-J fischt. Schließlich nutzen Mumford & Sons diese vermeintliche Spannweite in weiterer Folge von Delta keineswegs aus. Vollmundige Vorabcharakterisierungen ala „introspective and reflective, that will incorporate elements of electronica, rap and jazz“ entpuppen sich ebenso als reißerische Lügen, wie sich die verfremdete Einarbeitung klassischer Mumford-Folk-Instrumente bei ihrer Rückkehr in den Klangkosmos der Band als absolut nebensächlich entpuppt.
Selbst plakativ in die Beinahe-Dancefloor-Party klatschender 0815-Formatradio-Elektropop der Marke Rose of Sharon oder Picture of You bleibt mit seinen wummernden Baukasten-Bässen und Beats inspirationstechnisch eine Stafette aus Totgeburten, seelenlos und blutleer, zumal im Rahmen die von Chvrches und The Xx gesteckten Ausnahmen der Delta-Regel – verhältnismäßig persönlich und beinahe sympathische Innenansichten wie das mehr oder minder auf akustische Gitarre, Klavier und Gefühl reduzierte Wild Heart scheinen dann ohnedies eher aus Versehen zu passieren.
Extrem seicht, weil jeder suggerierte Tiefgang hier eigentlich nur substanzlos überhöhte Gesten sind, kalkuliert das gefällig-getragene Delta die dem Zeitgeist entsprechende Farce aus schiebender Nostalgie, Epik und Aufbruchstimmung, die behutsam stampfend unter dem vorsichtige Geborgenheit anbietenden Sound zum nächstes Feuerzeugszenario pocht – gegebenenfalls um wie in The Wild hinten raus auch eine brachial-perkussive Melodramatik heraufzubeschwören, ansonsten jedoch weitestgehend alleine auf die immer blickdichter werdende Pseudo-Intensität der Produktion setzend. Freilich klingen beide Arten so konstruiert, wie das Material von Delta (wenn überhaupt) nur am Papier oder dem imaginativen Open Air zündet, Mumford & Sons mit ihrer bedächtig anschwellenden Harmonie-Hymnik keinerlei Emotion mehr auslösen – und letztendlich sowieso praktisch jedes Stück hier ohne rundes Conclusio abdreht.
Generisch und vorhersehbar, ohne nachhaltige Ecken oder Kanten funktioniert das vierte Album der Briten dabei nahezu ausnahmslos nach dem selben MO: Jede Nummer versucht mit dichtem Synthesizerschleier die selbe erhebende Dramatik und Dichte zu erzeugen, kann das forcierte Ambiente aber dahinter nie mit jener Form eines tatsächlich packenden Songswritings umsetzen, das in irgendeiner Weise Entwicklung zeigen würde, über eine grundlegende Idee oder ein installiertes Motiv hinausginge. Kennt man die erste halbe Minute einer Nummer, weiß man, wie Mumford sie danach flehend strecken wird. Was gerade über die schlichtweg ermüdende, viel zu lange Gesamtspielzeit von 62 Minuten zu einer auslaugenden Geduldsprobe wird. Spätestens wenn der abschließende Titelsong die Gänsehaut-Ekstase immer wieder mit der Brechstange herbeizuprovozieren versucht, entlässt Delta deswegen auch einfach nur hemmungslos übersättigt.
Weswegen es auch nicht verwundert, wie wenig von diesem galligen Einheitsbrei entlang der missionarischen Lyrics letztendlich hängen bleibt. Sicher nicht die am Massengeschmack entlangpolierte Formatradiolangeweile Guiding Light oder Beloved, in dem Mumford & Sons überlegen U2 zu imitieren, aber nicht einmal dafür den Arsch aus der Komfortzone bekommen und deswegen der Einfachheit halber alles mit noch mehr pathetischen „Ohooohooos“ zukleistern.
Eher schon October Skies – und sei es nur, weil das plätschernde Piano hier im Grunde nur eine leidlich kaschierte Variation von Long Black Veil begleitet. Slip Away soll das Bedürfnis nach zum Himmel erhobenem Rock mit zwingender Dynamik befriedigen, begnügt sich aber damit, ein unausgegorener Rohrkrepierer zu sein, der niemandem wehtut. Schmerzhafter ist da schon, wenn das bis zum Erbrechen repetierte If I Stay seine Streicher zum grotesken Kitsch jubilieren lässt, bis sich die Zehennägel aufrollen, oder Forever in die selbe Ecke knödelt, in der auch der Man of the Woods Justin Timberlake mit den balladesken Momenten seiner aktuellen Platte hinwollte – also zum hemdsärmeligen Gemeinschaftsgefühl und romantischen Sternenhimmel in der Arena, inklusive „Göhöööhööörl“-Schmachterei.
Schwer zu sagen, ob die Mumfords hier nur endgültig jedwede Authentizität über Bord werfen, oder mit absoluter Gesichtslosigkeit besonders konsequent agieren wollen. Das traurige ist jedoch, dass beides auf das selbe Ziel hinauszulaufen scheint. Was zwar immer noch eine minimal bessere, weil schlüssiger in ihrem Kontext existierende Platte bedeutet, als Wilder Mind es war. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch im Umkehrschluss abermals: Es ist im Grunde weiterhin einfach nur noch komplett egal, wie Mumford & Sons ihr neues Zielpublikum mittlerweile in die Enge treiben wollen.
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