Postdata – Twin Flames

Auch wenn sich der kontemplative Schlusspunkt Tomb kaum von der traurig-tröstenden Schönheit einer simplen Akustik-Indie-Folk-Miniatur ablenken lässt, ist Twin Flames keineswegs die Rückkehr zum selbstbetitelten Postdata-Debüt – allerdings auch keine unbedingte Fortsetzung von Let’s Be Wilderness von 2018.
Dass Paul Murphy nicht zu den archaischen und spartanischen Ursprüngen seines Wintersleep-Nebenprojektes zurückkehrt, daran lässt schon die Eingangsphase des Drittwerkes Twin Flames keinen Zweifel aufkommen.
Das bedächtige Haunts zirkelt seine Romantik übernehme klirrende und klackernde, schlurfende Percussion, taucht in eine vorsichtige Synthie-Patina, während das aus vollen Klavierakkorden geborene Inside Out wie eine kammermusikalische Verneigung vor R.E.M. anmutet, die mit ihren Bläsern irgendwann eine genügsam auf der Snare stampfende Fahrt zur jubilierenden (Hit-)Parade aufnimmt und in seiner Hingebung ein gutes Stück weit das Herz aufgehen lässt. Selbst Nobody Knows schrammt seine Akustikgitarre danach mit einer solchen Aufbruchstimmung, dass irgendwann befeuernde Rufe der Murphy-Verwandtschaft im Hintergrund antauchen und synthetisch federnde Beats beinahe in die Nähe einer federnden, ausgelassen tanzbaren Party kommen.
Die melancholische Tiefe und nackte Verletzlichkeit, die unter die Haut gehende, bewegende und ergreifende Direktheit, ja auch die emotionale Magie und pure Unschuld ihres 2010er-Einstandes mag die Plattform Postdata also abermals hinter sich gelassen haben. Doch trotz eines breit geblieben Spektrum fühlt sich Twin Flames nun dennoch wieder deutlich aufgeräumter und entschlackter an als Let’s Be Wilderness. Gewissermaßen gar wie ein Soloprojekt an, da Murphy den Kollaborationsansatz wie auch den vollen Bandsound zurückgeschraubt hat (obwohl sich neben dem allgegenwärtigen Ali Chant einige Erfüllungsgehilfen und gefühlt der ganze Murphy-Clan in den Credits tummeln).
Da Postdata so wie ein von schmissigen kleinen Motiven ausgehender, mit lockerer Verspieltheit im Studio von mitunter digital programmierten Drums und orchestralen Arrangements ausgeschmückter Alleingang in familiärer Umgebung wirkt, verleiht dies dem Projekt quasi seine dritte Inkarnation zwischen den beiden Vorgängern – ohne sich dabei wie eine Abstellkammer für Wintersleep anzufühlen.
Weder ästhetisch noch inhaltlich. Vielleicht hat Murphy in dieser Ausgangslage sogar noch nie derart zugängliche, ökonomisch ausbalancierte – meint auch: schnell erschlossene – Songs wie hier geformt.
Yours basiert so auf einem subtil pluckernd unterspülten Klavier, nuancierte Streicher gleiten wie sanfte Wellen in den Song, der leise und verträumt zum Synthpop erwacht, ohne mit einer wohlwollenden Seichtheit nachhaltige Emotionen zu erzwingen. Nur das Titelstück, das zwischen Radiohead und The Notwist erdacht somnambul und ätherisch knistert, der Melancholie eine stille Tragweite einräumt, um bis zu darkjazzigen Ausklängen zu finden, geht als Albumhighlight nämlich in die Tiefe, taucht in eine ergiebigere Atmosphäre.
Exemplarischer ist da schon Kissing, das den einladenden MO der Platte fortsetzt, vom Lagerfeuer zur hymnische beschwörenden Geste samt kleinem Chor auftaut, ohne abzuheben.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist nämlich längst klar klar, dass alle Nummern der Platte wirklich nette Ohrwürmer sind, sofort eingängig und nonchalant begleitend – allerdings mit weniger Gewicht, interessanten Konturen und wohl auch einer entsprechenden Halbwertstzeit ausgestattet, als das bisherige Postdata-Material.
Alleine das flott dahinlaufende, Wave-infizierte Behind You mit seiner grundlegenden krautigen Monotonie, deren sympathische Eindimensionalität beschwingt und gelöst klatschend tapeziert wird, schrammt ohne zündende Idee dann doch etwas zu belanglos und nebensächlich laufend am Durchhänger vorbei (nein, tatsächliche Ausfälle finden sich im Verlauf eines sich hinten raus weniger hartnäckig einbrennenden Albums keine), während sich ein My Mind Won’t, das sich um seine Indie Folk-Wurzeln mit sanften elektronische Loops und Bläsern dreht, bevor die Beats latent griffiger und die Effekte prägnanter werden, nur um mit schüchternen Streichern zu verpuffen, den stellvertretenden Vorwurf gefallen lassen muß, daß all dem charismatischen Schönklang hier ein paar kreative und weniger gemütliche Reibungspunkte gut getan hätten.
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