Ride – Interplay

Mit Interplay, dem vierten Langspieler seit der Reunion, haben Ride in ihrem zweiten Leben nun bereits mehr Alben aufgenommen, als in ihrem ersten. Diese zwei Phasen gegenüberzustellen bleibt aber geschmacklich eigentlich ein heikler Seiltanz.
Von der Qualität eines Nowhere oder Going Blank Again ist Studioalbum Nummer Sieben schließlich weiterhin Welten entfernt, stilistisch (als relativ austauschbarer, aber angenehm unmodern als der Zeit gefallener Alternative Rock mit einer leichten Psychedelic und Post Punk-Ästhetik) zumindest weitläufig.
Allerdings stellt Interplay (nach einer die vorab kultivierte Erwartungshaltung ernüchternd bestätigenden Vorstellungsrunde samt einer einsetzenden überschaubaren Wachstumsphase) subjektiv dann doch ein stärkeres der Comeback-Werke der Briten dar. Zuverlässig, im besten Sinne, wenn man so will.
Alleine der Ohrwurm Peace Sign (eine unmittelbar und ausdauernd straight polternde Reminiszenz an Bigtime mit vager Shoegaze-Erinnerung) und Monaco (die joggende New Order-Verneigung hält eine funkelnd blinkende Euphorie in Zaum) sind schließlich interne Semi-Hits, die viele Brit-Loyalisten abholen dürften, auch wenn die beiden Singles mit ihrer schlauchförmigen Dynamik entlang einer direkt gestrickten Beat-Struktur eigentlich viel zu offensichtlich und simpel angelegt sind.
Noch besser als diese es sich einfach machenden Frontal-Einladungen sind aber die restlichen Bereiche der ersten Plattenhälfte: Last Frontier, das (durchaus exemplarisch) wie eine weiche Secret Machines-Koppelung ruhig und melodisch zeitloses Space-Songwriting anbietet; I Came to See the Wreck mit seiner Sehnsucht nach einem episch Panorama; Light in a Quiet Room als kontemplative Melancholie, die sich von der Mitte weg in die Trance eines hypnotischen Kraut-Grooves versetzt und live wohl die Wände mit seinen Gitarrenwällen zum Beben bringen wird.
Viel schwächer agiert Interplay auch danach nicht mehr, wiewohl die Eindrücke weniger griffig werden und eher ästhetische Variationen ohne zwingend hängen bleibende Motive darstellen. Das elegisch schippernde Stay Free atmet bei Akustikgitarre und Klavier atmosphärisch einnehmend durch und fügt sich nahtlos in die grundlegende Stimmung des Albums ein, derweil das verträumte Last Night I Went Somewhere to Dream in Schönheit mäandert und Sunrise Chaser konsequenzfrei mit einer milden Assimilation futuristischem Funk-Schattierungen flirtet.
Midnight Rider lehnt sich in die motorische, massive Rhythmussektion, läuft abseits seiner Texturarbeit aber auch eindruckslos durch und hätte wie das rockiger, hymnischer gedachte Portland Rocks wohl deswegen als externe B-Seite mehr genützt, weil das letzte Drittel der (in der zweiten Hälfte etwas nachlassenden) Platte durch die Beschaffenheit von Essaouira (ein Nachhall, der angenehm unaufdringlich und formoffen plätschernd an die tanzbaren Auswüchse der Insel in den 90ern gemahnt) und dem ambienten Nebel Yesterday Is Just a Song sich ein wenig zu ziehen beginnt. (Derartige Dinge hat Andy Bell außerdem zuletzt im Alleingang etwas intensiver und variabler hinbekommen!)
Überhaupt ist Interplay mit fast einer Stunde Spielzeit trotz eines runden (und tatsächlich ausfallfreien) Flusses ein klein wenig zu lange ausgefallen, denn im Kontext finden Ride einfach nicht exakt zum Punkt – durchaus symptomatisch für den Zustand des Albums an sich.
In Summe vermittelt der kaum spannende Sound schließlich ein allgegenwärtiges vitales Altherren-Flair, das die Ausstrahlung kompetenter Klasse und mittelmäßiger Austauschbarkeit gleichermaßen nährt: Jeder Moment hier gefällt (auch wenn die Vocals zu unverbindlich begleiten) und wirken aufs Ganze betrachtet trotzdem auch stets ein bisschen egaler als notwendig. Ohne Genieblitze macht Interplay nämlich nichts falsch und nichts überragend, ist nie schlecht und nie grandios – jedoch immer auf verdammt okaye Weise gut. Wirklich gut!
(Weil sich das Verlangen, das Album als Gesamtwerk aktiv zu konsumieren, selbst mittelfristig allerdings schätzungsweise eher im überschaubaren Rahmen bewegen dürfte, reicht es dann abschließend – eventuell unverdienterweise! – nicht für das Aufrunden zwischen den Punkten der abschließenden, irgendwie in gewisser Hinsicht doch zu hart für die Platte scheinende Bewertung).
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