Scout Niblett – It’s Up To Emma
Ist ‚It’s Up To Emma‚ das verträglichere Grunge-Album geworden, dass auf den metallenen Parcours ‚The Calcination Of Scout Niblett‚ zwangsläufig folgen musste? Eine zugängliche Rückbesinnung? Oder doch das bisher persönlichste, vielleicht sogar romantischste Werk von Emma „Scout“ Niblett? Die Wahrheit liegt letztendlich wohl irgendwo dazwischen.
Die unangenehmsten Momente auf Scout Niblett-Konzerten sind jene wiederkehrenden, bei denen das Publikum nach Will Oldham zu krakeelen beginnt – in Wahrheit natürlich nach ‚This Fool Can Die Now‚ der vielleicht bis ans Karriereende der nun 39 jährigen Engländerin herausragendsten Platte. Irgendwo verständlich, sind schmachtende Juwelen wie ‚Kiss‚ oder ‚Black Hearted Queen‚ unkaputtbar. Andererseits natürlich beleidigend praktisch nach einem anderen Künstler zu verlangen, ist Scout Niblett doch spätestens seit ihrem fünften Studioalbum 2010 von Bonnie „Prince“ Billie-kompatiblen Folkansätzen merklich abgekehrt.
Genau diese begonnene Spurensuche im Metal nach Blueselementen geht auch auf ‚It’s Up To Emma‚ weiter, führt jedoch wieder zu herzlicheren Melodien. Damit könnte Scout Niblett im sechsten Anlauf jene Freunde der melancholischen Kauzigkeit wieder aufnehmen, die sich seit einem halben Jahrzehnt keine neue Platte der eigenwilligen Ausnahmeerscheinung ins Regal stellen wollten.
Am direktesten gelingt dies ausgerechnet mit einer Fremdkomposition (- trotz aller Jackson-Liebe nicht ‚Nasty‚): Niblett verleibt sich ‚No Scrubs‚ ein, die schmeichelweiche R&B Hymne von TLC, reißt ihr das Fleisch von den Knochen aber nicht das Herz aus dem Leib. Obwohl Niblett ansonsten beinahe jeden einzelnen Ton auf ‚It’s Up To Emma‚ selbst eingespielt hat darf hier der kongeniale Gatte Emil Amos (Om/HolySons/Grails) mit dunklen Bariton zurückhaltend unter die Arme greifen, sein Abdruck wird immer wieder in den neun Kompositionen spürbar. Will Oldham Fans werden davon entzückt sein, alle anderen sowieso. Zumal derartig im Unterholz köchelnde Aggro-Romantik überall auf ‚It’s Up To Emma‚ zu finden ist, selbst im Alleingang und der neuen Körperlichkeit in den Texten, der unkaschierten Personalisierung in Cover und Titel. ‚Can’t Fool Me Now‚, ‚What Can I Do?‚ und das erhaben strahlende ‚My Man‚ finden nicht nur Erfüllung in schwärmenden Gitarrensolos, sondern auch in bombastbefreiten Streichern, die sich elegisch in die sehnsüchtigen Songs schmiegen.
Das spät einsetzende Schlagzeug (klassisch rohe Snare mit satter Bassdrum) im furios scheppernden Fuck You ‚Gun‚ (gönnt sich stimmungsmachende „Hey!„-Anfeuerungen) trifft kantigen Doom-Metal elegant in den Magen, ‚Second Chance Dreams‚ und ‚Woman and Man‚ bringen PJ Harvey mit Sonic Youth ebenso kratzbürstig wie Indie-rockend unter einen Hut. Das John Frusciante Gitarrenspiel in ‚Could This Possibly Be?‚ könnte melancholischer kaum sein und giest sich letztendlich doch einen Kanister Benzin über den Körper.
Die sich mittlerweile an Spielregeln haltende Stimme; die Art des Gitarrespiels aus schweren Riffs, offenen Akkorden und wehmütig schwingenden Tremolo: man kennt die Bausteine dieser unverkennbaren „Scout Niblett-Musik“ mittlerweile auswendig, da mag das eine oder andere Motiv Erinnerungen hervorrufen. Aber einem Mark Kozelek wirft ja auch zurecht niemand vor, dass man ihn und seine Gitarre blind erkennen würde. Zumal Niblett trotz einer gewissen Role-Model-Funktion immer noch ohne ernsthafte Konkurenz arbeitet.
Vor allem aber steht die Rückkehr zur unverschmähten Schönheit der immer noch zwischen ruppig und verletzlich pendelnden Niblett einfach ausgezeichnet. Eingängiger (tatsächlich: poppiger!) und unmittelbarer war die Engländerin mutmaßlich noch nie. Womit ‚It’s Up To Emma‚ auch das Album sein sollte, dass die leidigen Will Oldham Rufe bei Liveaufttitten ein für allemal verstummen lässt.
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