Hop Along – Get Disowned

‚Get Disowned‚ bietet genug Qualität, um sich nicht gar nicht lange darüber echauffieren zu müssen, dass über ein Jahr vergangen ist, seit diese kratzbürstige, schräge, wunderbare kleine Plattenperle ihr US-Release erlebt hat. Besagte Qualitäten liegen natürlich vor allem an Frontfrau Frances Quinlan.
Diese ist nicht nur Sängerin des Trios aus Philly, sondern auch die unverkennbare Hauptattraktion von Hop Along. „Die kann nicht singen„, ließt man nicht über sie, und sogar im Pressetext wird darauf hingewiesen sich nicht auf den ersten Eindruck hin verschrecken zu lassen. Letztendlich korrigiert ‚Get Disowned‚ die eingeschüchterten Erwartungshaltungen, anderseits stimmt es natürlich: über Hop Along zu schreiben heißt zwangsläufig auch die aufgefahrene gesangliche Darbietung Quinlans hervorzuheben.
Allerdings ist es weniger ihre Stimme an sich, die aufhorchen lässt, als die ungezügelte, energische Nutzung dieser: eine schier hemmungslose Herangehenweise und Auslotung der Grenzbereiche jenseits artgerechter Konventionen leicht verdaulicher Melodieführungen. Quinlan peitscht, kratzt, kreischt, säuselt, quietscht und schreit sich so facettenreich wie hysterisch durch alle Variationen ihrer rauh geriebenen Stimmbänder, einem trotzigen kleinen Kind gleich, mit aggressiver Neugierige und ohne falsche Scheu. Scout Nibblet im Noiserock-Modus, Joanna Newsom im Punk-Wahn, PJ Harvey in angepisster Verweigerungshaltung, wenn man so will.
Freilich vage Assoziationen – zu originär lässt Quinlan ihr Emotionen hier auf den ersten Blick vollends unkontrolliert (auf den zehnten: absolut nicht unkoordiniert!) explodieren. Natürlich: Songs wie das mit knarzender Rost-Akustikgitarren schrammelnde ‚Some Grace‚ oder die verzweifelte Noise-Ansammlung ‚No Good Al Joad‚ lassen keine Zweifel dran, warum Hop Along polarisieren (müssen!), warum man ‚Get Disowned‚ mühsam finden darf – aber vor allem nach einer fordernden Kennenlernphase viel leichter noch geradezu weggeblasen werden kann von der stürmischen Spielfreude der Platte.
Denn (die benötigten Zeilen zum markanten Ausgangspunkt-Verankern ersteinmal eingeräumt) es darf natürlich das essentielle nicht übersehen werden: die Frontfrau von Hop Along mag stets Biest und Dompteur dieser impulsiven Eruptionen gleichermaßen sein – ohne die optimale Manege wäre das aber wenig wert. Eben jene stellen die aufgefahrenen 10 Songs allerdinmgs nur allzu ideal dar, wie sie sich auf Biegen und Brechen dagegen wehren entlang der Bekömmlichkeit geglättet zu werden, und in den besten Momenten dennoch zu herzzerreißenden, brennenden kleine Hymnen mutieren.
Hop Along spielen ihren kantigen, spröden Indierock mit starker Emocore-Schlagseite, einer punkigen Singer-Songwriter-Wucht und einer spartanischen Post-Hardcore Attitüde – direkt am offenen Herzen von Quinlan. Manchmal blitzt noch durch, dass das durch ihren Bruder Mark (Schlagzeug) und Bassist Tyler Long vervollständigte Trio vor ‚Get Disowned‚ unter dem Banner Hop Along, Queen Ansleis als Soloprojekt unterwegs war – sosehr lassen sich die in ständiger Schräglage ihr Herz ausschüttenden Songs von der Amerikanern dirigieren und aufreiben. Schälen sich jedoch erst einmal die unzähligen Feinheiten wie die ganz unten im Mix schabende, fidelnde Gitarre in ‚Tibetan Pop Stars‚, der sorgsam arrangierte Schizo-Chor im erschöpfenden ‚Laments‚ (auf den zwangsläufig nur weißes Rauschen folgen kann) oder das langsam in den Song klimpernde Piano im poppig torkelnden ‚Kids On The Boardwalk‚ aus dem überfordernden Gesamteindruck ist ‚Get Disowned‚ längst zu einer grandiosen, wunderbar vielschichtig und roh produzierten wie inszenierten Zauberkiste unzähliger kleiner Gänsehautmomente geworden, einer haltlosen Spielwiese voller Zärtlichkeit und schonungsloser Intensität. Wo etwa das herausragende ‚Tibetan Pop Stars‚ sich immer tiefer in seinen sehnsüchtigen Rausch hineinsteigert, Quinlan sich die Seele aus dem Leib schreit: „Nobody deserves you the way that I do!„.
Selbst Momente wie das beruhigende ‚Trouble Found Me‚, der Irgendwie-Hit ‚Diamond Mine‚ oder das countryesk nach vorne tigernde ‚Sally II‚ sind trotz aller trügerischen Zugänglichkeit kein Geschenk. ‚Get Disowned‚ ist zu jedem Zeitpunkt eine Kraftprobe, für Band wie auch Hörer. Eine, die tatsächlich nur allzu leicht Missfallen zu evozieren versteht – bei etwas Gegenliebe aber mit krudem Charme derart wuchtig auf der Klaviatur der Gefühle zu spielen versteht und sich zwischen Schmähung und Geheimtipp-Hype als unkaputtbarer Trip in die wunderbar schrullige Welt von Frances Quinlan und ihrer nicht unter Wert zu verkaufenden Band verdammt viel zu geben hat. ‚Get Disowned‚ ist schlicht ein rares Parade-Exemplar purer Leidenschaft ohne Kompromisse geworden. Und um dem späten Europa-Release eine positive Seite abzugewinnen: so verkürzt sich die Wartezeit auf kommende Großtaten der kleinen Naturgewalt Hop Along.
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