Sex Jams – Catch!

von am 11. Dezember 2015 in Album

Sex Jams – Catch!

Dass Sex Jams nun bei This Charming Man Records veröffentlichen hat sich abgezeichnet und erscheint angesichts einer Platte wie ‚Catch!‘ zwangsläufig wie der nächstlogische Karriereschritt: die Evolution der Wiener schreitet auf ihrem Drittwerk jedenfalls ohne absehbare Einschränkungen weiter.

Sie tut dies von Beginn an mit Ausrufezeichen und kriegt einen mit dem rasant eröffnenden Titelsong auch ohne jegliche Vorlaufzeit an den Haken. Schmissig sein und trotzdem die Augen auskratzen, das funktioniert problemlos, suggeriert ‚Catch!‚ und fackelt zwischen Steve Albini’s feingliedrigem Krawallsound und energisch headbangend-aufgeriebenen Gitarren also gar nicht erst lange herum, sondern eröffnet ein überbordendes Schaulaufen der eigenen Klasse, immer mit einem Bein in der Hemmungslosigkeit.
Katarina Trenk streichelt den Song am Mikro zwar – aber freilich soweit gegen den Strich, damit irgendwann auch alles in der turbulenten Nahtstelle aus Noiserock und psychedelischen Grunge kulminiert. Wer Sex Jams also bisher bereits als feuchten Traum für all jene erkannt hat, die an Sonic Youth vor allem deren schmissigen Momente liebten, der wird sich folgerichtig ohne Berührungsängste vom nachsetzenden Husarenritt mitreißen lassen. Und attestieren: ‚Catch!‚ betreibt Optimierungsarbeit auf nahezu allen Ebenen.

Sex Jams schaffen es über 44 Minuten nämlich nicht nur permanent an giftigen kleinen Hits entlangzuschrammen, sondern ihre Melodien und Hooks generell noch heller als bisher strahlen zu lassen, ohne sie dafür polieren zu müssen. Es ist eine gefinkelte Eingängigkeit, die ‚Catch!‚ ausmacht, deren eigentlicher Kniff aber jener ist, das grandiose Songwriting inszenatorisch mit einem wahren Feuerwerk der Ideen herauszufordern. Alleine ein ‚Hell Money‚ ist da charmant genug, um seinem absolut riesigen Refrain geradezu lethargisch zu begegnen, sich auf die verspielte Vitalität der Begleitumstände zu konzentrieren und mit einer aufregenden Unberechenbarkeit nie den geradlinigsten Weg zu gehen. Ein verdammter Ohrwurm, ja sicher, aber – darf man das so sagen? – wohl zu eigenwillig und letztendlich auch zu kompliziert-gut in Szene gesetzt, um den waschechten Single-Smasher in sich am Silbertablett raushängen zu lassen. Die Kills könnten sowas dennoch auf ihrer nächsten Party gebrauchen, aber egal: Genau diesen Trick – die wahnwitzige Spielfreude in einen absolut zwingenden Kontext zu bändigen – perfektioniert ‚Catch!‚ dann ohnedies immer wieder aufs neue.

Das unbändige Rockmonster ‚Sweet Advice‚ sprintet etwa so enthusiastisch Richtung Rock, wie es die Yeah Yeah Yeahs seit ‚Fever to Tell‚ nicht mehr getan haben, traut sich dann aber zusätzlich noch Dinge wie ein monolithisches Metalfinale zu, den Chor in ‚The Code‚ (übrigens der bestmögliche Be Your Own Pet-Song, den Jemina Pearl nicht mehr zustande brachte) kann praktisch niemand kommen sehen. ‚Drunk Tank‚ zieht sein Bluesriff dann durch den Westernstaub der Großstadt, ist schmutziges Breitwandformat in Bestform und lässt sich irgendwann selbst energisch von der Leine. ‚Healthy, Adventurous, Hardworking‚ ist genau genommen ein monströser Doomsong in der Gestalt eines dissonant-ausgemergelten Noiserock-Krachers.
Wie man sich dagegen im herausragenden Übersong ‚Horrorkraut‚ auf die so herrlich launigen Gesangsspuren konzentrieren soll, wenn die Gitarrenarbeit sich zwischen Fiepen, Grätschen und Beißen einfach nicht entscheiden will bleibt dagegen ein süchtig machendes Geheimnis. Überhaupt ist dies vielleicht die imposanteste Fußnote von ‚Catch!‚: Ein besseres, sich derart impulsiv aus der Reserve lockendes Gitarrenduo, wie Lukas Bauer und Wolfgang Möstl es bilden, hat man auch über die Landesgrenzen hinaus schon ewig nicht mehr gehört – alleine die Art und Weise, mit der sich das Gespann jede Sekunde neu zu erfinden scheint hat, sich mit aberwitzigen Einfällen und Soundüberraschungen gegenseitig herausfordert, unermüdlich an der Dynamik kurbelt, aufschichtet und weglässt, antreibt und ausbremst und notfalls ohnedies komplett ohne Netz und doppelten Boden hantiert, das hat absolut nichts Bemühtes an sich.

Catch!‚ ist ein gänzlich spontan wandelndes Indierock-Wesen geworden, das eben zu keinem Zeitpunkt handzahm werden möchte, seinem Unterhaltungswert frönt, aber im Grunde seines wilden Herzens umwerfend biestig bleibt.  Zu beanstanden gibt es da insofern wenig (das extrem nervige Interlude ‚Die Newsflash Die‚ hätte man sich in seiner prätentiösen Gangart sparen können, der lahmende Refrain von ‚Zehn Schilling‚ kann trotz Harmonika nicht halten, was die schlicht umwerfende Pavement-Strophe verspricht und ‚WD Kharma‚ beendet die Sause gefühltermaßen gar zu versöhnlich), die Formkurve der Wiener Gang schreitet unaufhaltsam nach oben. Denn ohne die bereits so superbe Vorgängerscheibe von 2013 abwerten zu wollen, kann man vor Sex Jams spätestens jetzt nur noch den Hut ziehen: ‚Catch!‚ hat nicht nur ein paar Tricks mehr auf Lager als das durchstartende Zweitwerk, es kann ohnedies noch einmal alles um das Quäntchen besser als ‚Trouble, Honey‚.

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