SOHN – Tremors

von am 1. April 2014 in Album

SOHN – Tremors

Der Exil-Londoner Christopher Taylor bastelt unter dem Projektnamen SOHN wunderbar filigranen R&B-Pop voller Melancholie und Soul auf seinem Laptop und positioniert seine Wahlheimat Wien damit mutmaßlich aus dem Nichts heraus auf der Landkarte emotionaler Elektronikmusik von  internationaler Klasse.

Aus dem Nichts heraus stimmt so natürlich nicht, weil Taylor einerseits vor allem mit Trouble Over Tokyo nicht nur am heimischen Musikmarkt markante Spuren hinterlassen hat. Überreste des 2012 zu Grabe getragenen Pseudonyms finden sich nun auch noch auf ‚Tremors‚ (obwohl es da heißt: „I died a week ago/ There’s nothing left/ It’s caught on video/ The very last breath„): in der gedankenvoll über The Notwist– oder Atoms for Peace taugliche Störgeräusche schlürfenden Piano-Schwelgerei ‚Paralysed‚ mit ihren verhuschten Bläsern etwa, vor allem aber natürlich in der glockenhellen, androgynen Singstimme von SOHN. Andererseits ist ‚Tremors‚ nun der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die mit dem Ende von Trouble Over Tokyo als Initialzündung begonnen und über die vielversprechende ‚The Wheel‚-EP 2012 sowie drei starke Singles im Jahr 2013 die an die gedankenvolle Schwere von Jamie XX erinnernde elektronischen Fertigkeiten Taylors mit seinem beseelten Händchen für wunderbares Popsongwriting immer weiter verfeinert hat und nun elf Songs ausspuckt, die – die bisher fallengelassenen Referenzen lassen es bereits erahnen – der internationalen Eliteliga (beinahe) auf Augenhöhe begegnet.

All this fuss over nothing/ Reinventing the wheel/ All this searching for something that’s not real“ singt SOHN im geschnipselt-loopenden Hit ‚The Wheel‚ und natürlich: ‚Tremors‚ schließt viel eher Lücken zwischen anvisierten Leitfiguren als dass es neue Grundsätze formuliert – alleine wie sich das pulsierende ‚Lessons‚ mit oszillierender Rhythmik zus einem voller Vocal-Effekte aufgeladenen Finale steigert ist so eindeutig an James Blake geschult wie nur möglich. Und sicher: abseits des Gesangs wirken die Bausteine ‚Tremors‚ durchaus bekannt. Wo Nahverwandte wie East India Youth den Grenzgang zwischen geborgter Inspiration und unentschlossener Originalität noch wackelig beschreiten, weiß SOHN, wie man sich mit fremden Federn zu schmücken hat ohne sich deswegen gleich in gemachte Betten zu setzen; wo seine Stärken liegen und wie man damit das Rad des Electropop zu drehen hat: nämlich mit ausnahmslos starken Songs in der Hinterhand, die ihre Melodien mit absoluter Sicherheit in detailreich gebaute und akribisch arrangierte digitale Landschaften betten.

Dass das polyrhythmische ‚Artifice‚ mit seinen in leichter Schieflage untergehenden Synthies und ‚Bloodflows‚ als elegantes Klagelied um keinen Deut weniger potente Singles als ‚The Wheel‚ sind weiß man. Es ist aber eine der Überraschungen dieses Mehr-oder Minder-Debütalbums, dass SOHN das vorgegebene Niveau der Lorbeeren heimsenden bekannten Nummer über die volle Distanz halten kann: ‚Tempest‚ ist flehender Digital-Gospel von der Console-Festplatte, ‚Ransom Notes‚ ein unwirkliches Geflecht aus Bits und Bytes, ‚Lights‚ ein galoppierender Digitalritt unter einem fein gesponnenen Sternenzelt, ‚Veto‚ der weich fließende Beziehungsgesang ohne falsche Hoffnung und der Titelsong ein zwischen schweren Keyboardvorhängen und federleichter Schönheit brutzelnder Schlußpunkt. Allesamt Songs, deren Ursprünge sich phasenweise bis in die 80er (Toto) und 90er (Everything But the Girl) zurückverfolgen lassen, die am Puls der Zeit von The Weeknd, Miguel und Konsorten immer wieder Taylor’s ätherisches Geschick als meisterhafter Produzent herauskehrt. Vielleicht ist ‚Tremors‚ damit nicht restlos elektronische Popmusik wie sie sonst niemand macht – aber eben ein genrespezifisches Paradebeispiel von bestechender Qualität.

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2 Trackbacks

  • Låpsley - Long Way Home - HeavyPop.at - […] ganz ähnliche Kerbe, die bereits der so formvollendete Proto-Epigone SOHN mit seinem Debüt ‚Tremors‚ bediente. Aber dies ist einerseits…
  • SOHN - Rennen - HeavyPop.at - […] genommen hätte SOHN ja eigentlich schon bereits mit seinem Debüt Tremors vor knapp drei Jahren scheitern müssen. So dermaßen…

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