Stone Gossard – Moonlander
Mit einer Fortsetzung von ‚Bayleaf‚ hat wohl niemand mehr ernsthaft gerechnet: sage und schreiben zwölf Jahre sind seit dem ersten Soloalbum des umtriebigen Pearl Jam-Gitarristen vergangen.
Auf dem Plan musste man ‚Moonlander‚ deswegen nicht zwangsläufig haben. Auch, weil bereits ‚Bayleaf‚ nie die Anerkennung erfuhr, die dem ersten Soloausflug eigentlich zugestanden hätte. Ein längst überfälliges Wiederhören des 2001er Werks führt dann aber (nochmal) vor Ohren, dass Gossard bereits damals unter dem Radar für zehn ausnahmslos feine, äußerst abwechslungsreiche und kurzweilige Rocksongs im sympathischen Slacker-Outfit gesorgt hatte – die rein theoretisch wenn schon nicht für mehr Wirbel, dann zumindest für einige kleine Szene-Hits hätten sorgen müssen. Was damals aber nicht der Fall war wird sich nun aber wohl auch mit ‚Moonlander‚ nicht ändern. Dabei stünde die Ausgangslage mit dem abermals kunterbunt zusammengewürfelten Potpourri an Songs ähnlich vielversprechend – ungeachtet all der „I need something different„-Beteuerungen gleich zu Beginn.
‚Moonlander‚ ist abermals viel eher eine bunte Songsammlung mit starker Handschrift als ein stringent kohärentes Album: ein unterhaltsames Flickwerk aus elf Stücken also, die als Demoaufnahmen für Brad oder Pearl Jam begannen und letztendlich für keine der beiden Bands Verwendung fanden. Warum bleibt im Ansatz offen, denn auf den routinierten Songwriter Gossard bleibt stets Verlass, weswegen ‚Moonlander‚ mit jedem neuen Startpunkt auch andere Facetten in der Vordergrund stellen darf – und dabei stets eine zumindest überzeugende Figur macht.
Gossard kann Synthies in seine gitarrenlastige Rocksongs einflechten (‚I Need Something Different‚), berührende Pianoballaden mit sehnsüchtigen Solos schreiben (‚Your Flames‚), Schlachthymnen am Keyboard samt heroischen ‚Given to Fly‚-Drums und dramatischen Gesten ausrufen (‚Battle Cry‚), im Retro-Chick aufgehen (‚Witch Doctor‚), schwer beschwingten Blues auftischen (‚I Don’t Want To Go To Bed‚) oder schrammeligen Folk zelebrieren (‚Remain‚).
Mal klingt das dann wie im Titelsong im Ansatz nach dem gewichtigen Rock seiner Stammband, bevor Gossard sich in Backgroundchöre zurücklehnt, von subtilen Bläsern umgeben den Trip in den psychedelischen Weltraum bucht und mit dem ständig in der Sternen steckenden Kopf verkündet: „Space calls my name„. Dann wieder tänzelt er durch aufgeweckten Country mit schunkelndem Barpiano und fröhlicher Oboe, macht in ‚Both Lives‚ einen auf The Hold Steady abseits jeglicher Überschwänglichkeit. Ein Gospelsong im 80er Jahre Softrock-Chick ist ebenso drinnen (‚Measure Chick‚) wie die Thematisierung von Hitlers vermeintliche Drogensucht (‚King of the Junkies‚) anhand einer ‚Hotel California‚-Variation.
Das zweite Studioalbum des 46 jährigen gibt sich dabei trotz offener Strukturen und ungezwungener Herangehensweise dennoch nie zerfahren, sondern vielmehr als unterhaltsamer Wechselbalg der Möglichkeiten, dem keine Grenzen gesetzt sind.
Gossard hat im letzten Jahrzehnt stimmliche Fortschritte erzielt, immer wieder ertappt man sich trotzdem beim Gedanken daran, wieviel stärker die Songs allerdings mit einem Vedder am Mikro geworden wären. Denn meistens lassen sich die Ursprünge der Kompositionen stilistisch klar im Pearl Jam-Umfeld verorten – und (natürlich) kommen sie qualitativ nie wirklich dort an. Weniger unterhaltsam sind die 44 Minuten deswegen allerdings kaum. Ohne einen schlechten Songs im Programm macht es auch nichts, dass ‚Moonlander‚ generell ein wenig schwächer ausgefallen ist als sein Vorgänger. Weil Gossard seine Kleinode – „Ausschussware“ wäre definitiv viel zu negativ gehalten – eben so wunderbar nebensächlich und gehaltvoll aus der Hüfte schüttelt wie man das von einem der zurückhaltendsten Musiker in einer der besten Bands der letzten zweieinhalb Dekaden nur wünschen kann.
Nimmt man dazu ‚Bayleaf‚ als Gradmesser heran, stehen die Chancen ohnedies nicht schlecht, dass man die Qualitäten des stets so unaufgeregt und selbstsicher agierenden ‚Moonlander‚ ohnedies erst in über einem Jahrzehnt vollends zu würdigen weiß. Und Gossard dann hoffentlich nicht erst bei Soloalbum Nummer 3 angelangt ist.
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