The Dismemberment Plan – Uncanney Valley
Nichts ist aktuell wohl leichter als von der ersten The Dismemberment Plan Platte seit knapp 12 Jahren enttäuscht zu werden. Dabei ist ‚Uncanney Valley‚ gar nicht zwangsläufig ein schlechtes Comeback geworden – nur eine auf dem falschen Fuß erwischende, zugängliche Ohrwurmsammlung, die eben doch auch deutlich hinter dem bisherigen Schaffen der Band hinterherhinkt.
Wer ein Meisterwerk des kauzigen Indierock – wie zumindest ‚Emergency & I‚ nunmal eines ist! – veröffentlicht hat, auf dem lasten eben nicht gerade geringe Erwartungshaltungen – vor allem, wenn das fünfte Studioalbum dazu das erste seit über einer Dekade ist. Inwiefern ‚Uncanney Valley‚ der in der Abwesenheit der Band angewachsenen Legendenbildung um The Dismemberment Plan in die Karten spielen wird darf alleine deswegen ein wenig bezweifelt werden, weil das heiß herbeigesehnte Comeback auf den Erstkontakt einige Fragen aufwirft. Etwa: wo sind die verspielten Gitarren hinverschwunden? Was ist das für ein druckloser, unverbindlicher Sound, was machen all die Keyboards im Fokus und warum artikulieren die meisten Songs ihre Melodien mit käsigen Synthies? Warum wählen The Dismemberment Plan plötzlich stets den direktesten Zug zur einfachen Hookline, warum wird die liebgewonnene schräge Kauzigkeit weitestgehend verschmäht? Und eben die Kompositionen an sich: dass ‚Uncanney Valley‚ weitaus poppiger, zugänglicher, polierter, absolut strickt Strophen und Refraingebundener – und damit auf lange Sicht auch deutlich langweiliger – ist als seine Vorgänger: schön und gut- aber weswegen muss das phasenweise auch derart seicht, billig inszeniert und belanglos wirken?
Zumindest letzten Punkt muss sich auch Travis Morrison zu Herzen nehmen. Die Texte auf ‚Uncanney Valley‚ erreichen zu keinem Zeitpunkt die Klasse alter Großtaten, kokettieren lieber umständlich mit dem Älterwerden und trotzdem Coolbleiben, der eigenen Zufriedenheit als Ehemann und am Ende des beiläufig tängelnden ‚Let’s Just Go to the Dogs Tonight‚ lässt sich Morrison gar zur salopp gemeinten, aber gestelzt wirkenden Publikumsinteraktion hinreißen: „When I say ‚cluster,‘ you say ‚fuck./ ‚Cluster’/ „Fuck!““ – und die Fans applaudieren. Natürlich könnte man dieses Intermezzo weitaus augenzwinkernder auffassen, wenn die vorangegangene halbe Stunde ein wenig versöhnlicher ausgefallen wäre. Bis dahin sind aber eben schon Bagatellen wie das billig ohne jeden Groove über den Synthesizer gleitende ‚White Collar White Trash‚ passiert, das einen nett aufgehenden Refrain zu bieten hat, darumherum aber eben nur gehaltloses Geplänkel. Oder der irritierende Sonic the Hedgehog-am-Strand Soundtrack ‚Mexico City Christmas‚ mit allem möglichen nervösen Geschnipsel und gestelzten Rockfaktor, sowie das seltsam maschinell nach Party schreiende ‚Go And Get It‚.
Nichtsdestotrotz hat ‚Uncanney Valley‚ jedoch seine zahlreichen Momente und ist mit Fortdauer deutlich besser, als es auf den ersten, zweiten und auch dritten Blick wirken mag: das stapfende ‚No One’s Saying Nothing‚ ist etwa eine vergleichsweise umständlich-eingängige Berg-und-Tal-Melodiefahrt, zwar ohne das letzte Quäntchen Feuer, aber immerhin. Der astreine 90er-Song ‚Living In Song‚ muss sich über steckdosenverzerrte Drumarbeiten zwar erst ausbreiten, leitet dann aber in die schwelgend-tänzelnde Highlight-Schönheit ‚Lookin‘‚ weiter. ‚Invisible‚ treibt zurückgenommen zwischen Selbstzweifel und poppigem Indie, ‚Daddy Was A Real Good Dancer‚ sorgt für den unbekümmert-geradlinigen zusätzlichen Schuß Konventionalität. Das krude ‚Waiting‚ muss man sich im erschreckenden Soundgewand zwar erst schönhören, ein Morrison an der Grenze zum Rap macht aber unter 3 Minuten doch irgendwie Spass.
Wie eben das meiste hier, wenn auch erst nach einer verstörenden Eingewöhnungszeit, und wenn auch nicht mit derart hoher Halbwertszeit ausgestattet wie der bisherige Katalog von The Dismemberment Plan: an keinem Album der Band konnte man sich bisher ähnlich schnell satthören. Man muss das ungewöhnliche Soundgewand von ‚Uncanney Valley‚ dabei dann allerdings auch gar nicht unbedingt gut heißen, um der Band doch zugestehen zu müssen, dass sie zwölf Jahre nach dem letzten Studioalbum keineswegs so klingt, als würde man sich mit Erwartungshaltungen aufhalten. Viel eher spielt die Kombo aus Washington gut gelaunt und ohne Hemmungen befreit auf, ohne es noch jemandem beweisen zu müssen. Denn mit dem großen Durchbruch rechnet bei The Dismemberment Plan wohl ohnedies niemand mehr. Wäre aber natürlich auch zu passend, wenn dieser ausgerechnet mit den einigen wenigen Hits des durchwachsen unterhaltenden ‚Uncanney Valley‚ doch noch käme.
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