Thoughtcrimes – Altered Pasts
Billy Rymer vermisst The Dillinger Escape Plan – diesen Umstand zuzugeben bereitet ihm weiterhin keine Probleme. Dabei hat er sich mit Altered Past doch erst unlängst sein eigenes Methadonprogramm kuratiert.
Drei Jahre nach der ersten EP Tap Night baut das Debütalbum von Thoughtcrimes primär auf die selbe technische Melange aus Chaos und Melodie wie Dillinger (ohne deren perfektionierte Extreme in jedweder Hinsicht zu erreichen), wechselt Tempi und Zugänglichkeiten rapide, und wirkt oft sogar wie ein standardisiertes Amalgam recycelten Elementen von Rymers Ex-Band, die kaum originell oder erinnerungswürdig wenig explizites hängen lässt.
Panopticon peitscht die aggressive Manie mit einem zähnefletschenden Gaza-Gebrüll samt fauchend geborgtem Melodie-Geschrei nach vorne, hat ein Bein in der Eingängigkeit und eines auf der Abrissbirne, addiert dazu paar elektronisch verspulte Breakbeats aus der Mottenkiste von Greg Puciato als Zwischenspiel. Auch das kräftig-muskulöse Mirror Glue, das mit rasend vertrackten Rhythmen eskaliert und in Elektro-Facetten kippt, wo der heavy Stoizismus auf sportlich schwelgende Ambient-Wohligkeit trifft, oder den puren Standard Conscience on Tilt, haben Dillinger auf all ihren Platten mit knackigeren Hooks, originärerer Handschrift und ikonischen Szenen als die Epigonen Thoughtcrimes bereits sehr ähnlich hinbekommen.
Insofern verhebt sich Altered Past schon eben auch wirklich alleine immer wieder an Rymers Vergangenheit, an der man sich unabänderbar zu reiben versucht. Deswegen ist es zumindest smart gedacht, dass die Band (neben Rymer Rick Pepa, Brian Sullivan, Russ Savarese und Cody Hosza) die Dinge mit einigen variierenden Einfällen spannend halten möchten und nach der Eingangsphase bzw. vor dem Finale der der Platte auf kurze Attacken mit Teaser-Potential setzt – auch wenn dieser Ansatz nicht restlos aufgeht, denn praktisch bleibt so eben auch vieles nur unbefriedigend angerissen.
Dennoch: das Potentil der Gruppe ist hier offenkundig. Das vertrackte Keyhole Romance agiert beispielsweise betont straight und addiert ein paar Streicher, New Infinities beginnt heavier und doomiger ins Atmosphärische gedrosselt, als würden Glassjaw ein Alice In Chains-Riff dramatisch aufbauen. Dare I Say imitiert konsequenzlos einen Mike Patton‘schen Wahnsinn und wird etwas willkürlich eingerahmt: der Titeltrack kommt als Downbeat-Elektronik nicht über das Interlude hinaus, bevor das redundante Hai Un Accendino auf der anderen Seite als Spoken Word-Geplänkel alle Dynamik aus dem Albumfluß nimmt. An dieser Phase liegt es auch, dass Altered Past als Album nicht überzeugen kann, obwohl es den Weg des tollen Tap Night eigentlich ja weitergeht – das große Ganze stottert hier zu zerfahren.
The Drowning Man implementiert dafür eine etwas klischeehafte Saxofon-Tollwut neben dem cleanen nn das verzerrte Gebrüll gezwängten Refrain, bevor der Closer Lunar Waves es gleich generell beim rein gesungenen Post-Grunge im Alternative Rock belässt.
Ein etwas unentschlossenes Ende für ein Debüt, das eigentlich weiß, was es will (nämlich das Erbe von TDEP verwalten), aber auch kapiert, dass dies alleine wenigen (außer wohl Billy Rymer) genügen könnte – als Konglomerat aus oft (und leider eben meisten deutlich besser) gehörten Versatzstücken aber erst recht zwischen den Stühlen sitzt und sich ohne per se etwas schlecht zu machen einen unnötig generischen Eindruck auferlegt.
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