Tom Morello – The Atlas Underground

von am 24. Oktober 2018 in Album

Tom Morello – The Atlas Underground

Wo man dem Nighwatchman und Gitarrist von Rage Against the Machine, Audioslave oder Prophets of Rage bisher primär sein seit Jahrzehnten stagnierend-limitiertes Gitarrenspiel und überschaubares Songwriter-Talent ankreiden konnte, kommen nun auch sein Musikgeschmack samt fragwürdigen Kontaktregister in die geschmacklosesten Ausläufer der Elektronikszene hinzu.

Gleich das eröffnende Battle Sirens hinterlässt jedenfalls fassungslos: Knife Party bollern ihren vulgären ADHS-Dubstep unter aufgekratzten Speed-Steroiden mit perfekt designten Bässen und Beats auf das Klientel hinaus, während Morello hier und da seine Baukasten-Gitarre nahezu unmerklich unter all den Tonnen Produktionsmüll quietschen lässt, sich praktisch irrelevant als grotesker Midlife Crisis-Puppenspieler in Szene setzt, der keinen Gedanken an eine charakteristische Identität seines Projektes verschwendet. Mit dem Vorschlaghammer ohne jedwedes Understatement zu arbeiten, führt insofern zumindest die bisherige Herangehensweise des 54 Jährigen an die meisten seiner musikalischen Projekte fort – hier jedoch potenziert mit einer The Atlas Underground stets eigenen Over the Top-Einstellung, die jeden Schmerzpegel durch die Decke treibt.
Was folgt, ist deswegen auch eine entsprechend kompromisslose Platte, die so sehr auf penetrante Effekthascherei ausgerichtet ist, dass auch nahezu jeder einzelne der zahlreichen geladenen Gäste rein auf eine aggressive, über Morellos Stammkundschaft und Basis hinausdrängende Gewinnmaximierung und Käuferschichtförderung ausgelegt zu sein scheint.

Kreative Beweggründe sind es jedenfalls nicht, die dazu führen, dass beispielsweise Tim McIlrath (Rise Against) plötzlich mit generischer Melodie zu einem austauschbar pumpenden Techno-Gerüst von Brachial-Handwerker Steve Aoki auf die Tanzfläche How Long brüllen darf, um ihn herum die feiernden Stroboskop-Lichter pumpend und Morello im grausam überzogenen Mix fiepend erbrochene Riffs aufwärmend. Subtil oder schlüssig geht anders, erzwungen jedoch genau so. Wie hier präsentieren sich zudem alle Songs als degeneriert die Oberfläche bearbeitende, dem Zeitgeist erbärmlich hinterherhinkende Anbiederungen, die kompositorisch am Reißbrett konstruierte Elektronik über wuchtigen Brostep, unbedingten Brechstangen-EDM und altbacken funkenden Raprock stülpen.
Selten können die aufgefahrenen, meist lustlos agierenden Features in diesem seelenlosen Umfeld für positive Impulse und den Anschein von Potential sorgen: Big Boi und vor allem Killer Mike können in Rabbit’s Revenge  ein Crossover-Relikt aus Judgement Night-Zeiten beinahe vor dem platten Refrain retten; das angenehm gedrosselte Every Step That I Take spielt mit Portugal.The Man seine neo-soulig kalkulierte Eingängigkeit bis zur Erschöpfung aus; Marcus Mumford beschwört im dramatisch-maßgeschneiderten Find Another Way eine unorigenell-pulsierende 0815-Dramatik; Lucky One könnte dank K.Flay beinahe erfreulich locker aus der Hüfte kommender Pop mit Morello-Riffs sein – klänge das Gerüst dahinter nicht so blutleer unmotiviert, schaumgebremst und langweilig.

Meistens aber sind die Gäste schlichtweg potenzierendes Teil des Problems: Vic Mensa ist absolut deplaziert im ermüdenden Funkrock-Desaster We Don’t Need You und treibt mit seinen Lyrics („9/11 was a hoax, it was never hijacked„) ohne jedwede Substanz oder Inspiration über die Schmerzgrenze, der überdrehte Party-Soundtrack Where it’s at ain’t What it is will mit Gary Clark Jr. so verzweifelt unbeschwert klingen – als würde man stockbesoffen mit vorgehaltener Waffe auf den leeren Dancefloor drangsaliert werden, kurz vor dem manischen Nervenzusammenbruch.
Roadrunner klingt dagegen wie ein ziellos zuckendes Massaker aus forcierter Pseudo-Agressivität und das in Relation schon beinahe versöhnlich daherkommende Lead Poisoning vergewaltigt soliden Stangenware-Hip Hop mit geklonten Spannungsbögen und so unfassbar vorhersehbaren Drops, während sich die beiden Beinahe-Instrumentals One Nation und Vigilante Nocturno zumindest rühmen dürfen, vollkommen irrelevant für den Spielverlauf dieses inhomogenen Sauhaufens einer Clusterfuck-Platte zu sein.
The Atlas Underground funktioniert mit dem Komparsen Morello deswegen ein bischen wie ein restlos durchgestylter Over the Top-Blockbuster auf C Movie-Niveau, ohne Tiefgang, Niveau oder Mehrwert. Unterhaltsam ist das höchstens auf die selbe Art, wie etwa ein weiterer hochnotpeinlicher Ableger der Transformers-Serie: Indem man verbissen sein Hirn ausschaltet und sich permanent auch ein bisschen für sich selbst schämt, sich diesen elenden Bockmist überhaupt anzutun.

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