Van Morrison – Latest Record Project, Volume 1

von am 27. Mai 2021 in Album

Van Morrison – Latest Record Project, Volume 1

Vor neun Jahren hatte Sir Van Morrison abseits des Mikrofons noch keinen Plan B, mittlerweile ist er offenbar jedoch auch streitbarer Virologe und Medienfachmann. Zumindest legen dies die Texte auf der ausufernden Routinearbeit Latest Record Project, Volume 1 nahe.

Zwar nimmt das 42. Studioalbum des Iren vorab veröffentlichte Singles wie No More Lockdown oder Born to be Free gar nicht mit, Songs wie Why Are You on Facebook? oder They Own the Media bieten inhaltlich aber freilich immer noch genügend Reibungsfläche, auf der sich Van Morrison in die Reihe jener musikalischen Legenden einreiht, die unter den Eindrücken der Corona-Pandemie etwaigen alternativen Fakten (…) nicht abgeneigt zu sein scheinen.
Grantige Texte und kontroversere Themen sorgen zumindest dafür, dass der 75 jährige keine Zeit mit inspirierten Albumnamen verschwenden musste, und das ultra-pragmatisch betitelte Latest Record Project, Volume 1 gefühlt aus dem Stand heraus mehr Aufmerksamkeit generiert, als nahezu alle anderen Morrison-Platten der vergangenen zehn bis zwanzig Jahre. Was  aber bleibt abseits einer lyrischen Schiene, die dann doch (bei allem grundlegenden Respekt) weniger wie ein Protest-Statement, als weitestgehend wie eine Old Man Yelling at Clouds-Tirade anmutet – systemkritisch gemeint aber eigentlich ein bisschen paranoid, manchmal polemisch, etwas pseudo-konfrontativ reaktionär und nostalgisch – letztendlich übrig?

Zuerst einmal eine Platte, die mit insgesamt 28 Songs und über zwei Stunden Spielzeit einfach viel, viel, viel, viel zu lange ausgefallen ist, um nicht irgendwann auf Durchzug schalten zu lassen (irgendwie wiederum eine gute Nachricht für alle ist, die sich an den Lyrics aufhängen, oder?). Was gerade insofern frustrierend ist, weil eine weitaus kompaktere Selektion Latest Record Project, Volume 1 zu einem wirklich unterhaltsamen, unspektakulär die Erwartungshaltungen bedienen Reigen an souveränen Standards hätte zusammenfassen können: halb die unverwüstliche Klasse um eine immer noch starke Stimme ausspielend; halb den Vorwurf ignorierend, eine aus der Mottenkiste kommende Routinearbeiten mit ebenso kompetenten wie generischen Arrangements zu sein – Saxofon, soulige Backing-Ladies oder Orgel grooven zu zweckdienlichem Schlagzeug und lockerer Percussion dieser mal gleichförmig, mal dynamisch und immer (im positiven wie negativen Sinne) überraschungsarmen Rhythm and Blues-Paradeübungen.
Beschwingtere Nummern wie das, nun ja, wohl rebellische Where Have All the Rebels Gone? hinterlassen dabei jedoch genau genommen trotz des textlichen Vorschlaghammers weitaus weniger Eindruck, als entspannt und gefühlvoll zurückgelehnt zu den Balladen flanierenden Stücke wie Psychoanalysts‘ Ball und Tried to Do the Right Thing. Gerade diese Unaufgeregtheiten laufen wirklich gut nebenbei, lassen es nebensächlich erscheinen, dass man sich selbst nach Ohrwürmern wie Only a Song oder Duper’s Delight praktisch an keine (schon gar nicht ikonisch) das Momentum oder die Nachhaltigkeit bedienen Melodien oder Hooks erinnern kann. Aller demonstrativen Attitüde zum Trotz regt und lehnt sich Latest Record Project, Volume 1 musikalisch (und eigentlich auch textlich eher unbeholfen, als erschütternd agierend) niemals nicht auf, sondern plätschert gefällig dahin.

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