Wanda – Bussi

von am 4. Oktober 2015 in Album

Wanda – Bussi

Noch eine Runde, weil’s grad so reibungslos läuft: Wanda zelebrieren jene 12 Songs, die vor einem Jahr nur knapp in der Selektion für den Megaseller und potentiellen Instant-Klassiker ‚Amore‚ abgesoffen sind.

Man nähert sich dem zweiten Album der Wiener Senkrechtstarter zwangsläufig anders, als dem praktisch aus dem nichts kommenden Sensations-Debüt. Seien es die mediale Omnipräsenz; die irgendwann nicht mehr nur ungekünstelt wirkend zu Schau gestellte, hoch professionell versifft inszenierte Stritzi-Attitüde der Band; oder der nach dem Wechsel vom Qualitätsgaranten Problembär Records zum großen Major einhergehende Paradigmenwechsel in Sachen Merchandise-Politik (mästende Special Editions erscheinen mit Schnapsglas oder Luftballon. Beides passt irgendwo, auch wenn der Fan die beigepackte Single dann unnötigerweise wohl schon separat erstanden haben wird, wo es dazu auch ohnedies weniger stilvoll, als einfach nur mühsam ist, ein 40 Minuten-Album auf zwei Vinylscheiben aufzuteilen); Mehrere Faktoren haben subjektiv zum Gefühl der Übersättigung rund um das Phänomen Wanda beigetragen.
Insofern ist es durchaus ein zweischneidiges Schwert, dass die unermüdlichen Arbeitstiere Wanda das Eisen schmieden, solange es heiß ist, und als Hinterhandtrumpf nun jenes lange angekündigte Zweitwerk vorlegen, das im weitesten Sinne gar nicht erst versucht vorzugeben, die Dinge großartig anders anzupacken als ‚Amore‚. Diesen Ansatz kann man durchaus ein bisschen ermüdend finden – viel falsch macht das erstaunlich unangestrengt hinausschlendernde ‚Bussi‚ dadurch aber trotzdem nicht.

Die leeren Flaschen stapeln sich wieder, die Aschenbecher quellen über, gestorben wird immer noch in Wien, ‚Bologna‚ und die ‚Jelinek‚ sind nur einen Katzensprung entfernt, Amore schwebt weiterhin über allem: Die altbekannten Themen Liebe, Suff und die eigene Vergänglichkeit werden einmal mehr entlang des wertkonservativ bei den etablierten Stärken bleibenden Songwritings durchdekliniert, mehr noch: Wo die direkten Falco-Anleihen ausbleichen, verweisen Wanda nun immer wieder ganz direkt und ungeniert auf sich selbst als erste Referenzquelle. ‚Bussi‚ ist eben doch mehr für ‚Amore‚, als nur ein Bruder im Geiste: Keineswegs ein eineiiger Zwilling, eher eine Blaupause mit anders gewichteten Facetten.
So lehnen etwa ein paar Bläser im munter dahinlaufenden ‚Lieber dann als wann‚ an der Ecke, Streicher schleppen sich in der hibbelig flimmernd-betrübten Schönheit ‚Gib mir alles‚ in den Bowie-Schatten, eine Akustikgitarre trägt das grandiose ‚Sterne‚, wo das allgemeine Soundbild in den Arrangements generell dezent erweitert wurde, die Nuancen im niedergeschlagener wirkenden Exzess stärker akzentuiert wirken und der Thomas der Platte mittlerweile eben ein Andi ist.

Das dezent versoffenere Update zum Vorgänger lässt die Trunkenbolde von Wanda damit weniger vordergründig mit der Tür ins Haus fallen, als es ‚Amore‚ tat, sondern stolpert eher geschmeidig durch die Hintertür. Die überragenden Einzel- und Ausnahmesongs hat man insofern zwar weitestgehend bereits am Vorgänger hinausgehauen, wirklich fehlen tun sie ‚Bussi‚ allerdings nicht – Hits und Ohrwürmer gibt es auf einem Album ja freilich immer noch zur  Genüge, das in einem weniger eklatanteren Gefälle wahrscheinlich sogar das rundere Ganze geworden ist.
Letztendlich steht da nämlich ein kollektiv starkes Gefüge, dass es sich sogar durchaus erlauben kann gelegentlich in der eigenen Wohlfühlzone zu mäandern (das uninspirierte ‚Alarm!‚ packt zumindest einen plakativ-typischen Mitsing-Chorus aus) oder in der infektiösen Vorhersehbarkeit (man darf es auch Vertrautheit nennen) zu plätschern (das generische ‚Meine beiden Schwestern‚ aus den Gehörgängen zu kenommen ist dennoch schwer), es sich dabei sogar durchaus als Qualitätsmerkmal auf die Brust heften kann, in unzähligen Momenten „nur“ wie eine nonchalante Resteverwertung von ‚Amore‚-Ausschusswahre anzumuten.

1, 2, 3, 4‚ erschöpft sich in der Studioversion sicherlich schneller an seinem plumpen Refrain, als  der Song live absolut famos als zündender Stimmungsmacher funktioniert, lässt den wankenden Marco Michael Wanda aber auch so mit glimmernder Tschick in der Hand durch’s imaginäre Publikum surfen, bevor ‚Bussi Baby‚ erstaunlicherweise Feminismus-Debatten an den Haaren herbeizieht und mit seinen funky Gitarrenlicks und abgespaceten Synthieausflügen versucht zwischen weiblichen Schenkeln und andere Sphären einzutauchen. ‚Nimm sie wenn du’s brauchst‚ liebäugelt dann als verzweifelte Selbstgeißelung immer wieder mit weit ausholender Größe, ‚Mona Lisa der Lobau‚ schunkelt gemütlich in die Einsamkeit: „Es muss halt jeder einmal untergehen“.
Am schönsten ist ‚Bussi‚ dann aber immer dann, wenn Wanda sich in die Zuversicht an die Amore fallen lassen: „Baby nur ein einziges Mal/ Will ich neben dir sein/ Und ein Sonnenstrahl kommt zum Fenster herein/ Das wär schön“ heißt es in der mit Steel Drum und spanischen Gezupfe ausgeschmückten Fantasie ‚Das wäre schön‚. Wenig später rumpelt die Band unter dem Sternenzelt der Romantik entgegen: „Wo du auch warst, komm wieder heim/ Lass uns zu zweit glücklich sein/ Öffne den Mund, und ich leg mich hinein/ Es gibt keinen Grund, sterblich zu sein“. Kein Kitsch, eher ein Wanken am Abgrund.

Wanda zelebrieren ihren hedonistischen Pop differenzierter, mit festgefahrenen Prioritäten aber sobald es drauf ankommt unmittelbar wieder am Limit. „Ich leb’ so viel wie du in einem Jahr an einem Tag!/ Ich sauf’ so viel wie du in einem Jahr an einem Tag” kräht Marco Michael Wanda im pianotorkelnden ‚Andi und die spanischen Frauen‚. Die Fronten zum Andi ohne Schmäh scheinen jedoch nur anfangs klar verteilt: „Ich wär eigentlich gerne weniger Säufer als ich bin/Sagt der Andi, während wir anderen eigentlich gerne Säufer sind.“ Denn nach Spanien traut sich entgegen aller guten Ratschläge am Ende keiner der Beteiligten.
Scheißegal„, sagt ‚Herz im Hirn‚, und egalisiert spätestens zum krönenden Rausschmeißer zumindest für die Dauer von ‚Bussi‚ den abseits der Platte empfundene fahlen Beigeschmack, den das Massenphänomen Wanda mittlerweile transportieren kann. „Wann’s ned weitergeht mit mir is a wurscht/ I verlier sicher nicht mein Herz und mein Hirn/ Und a ned meinen Durscht„. Man braucht dabei freilich kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass die Wanda-Mania hiernach bis auf weiteres sehr wohl weitergehen wird. Und wenn die bereits in der Pipeline harrende nächste Platte die Komfortzone der Gang abermals derart adäquat bedient, ist das auch durchaus gut – und weiterhin verdientermaßen – so.

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