Various Artists – Ghost In The Shell [Music Inspired By The Motion Picture]

von am 4. April 2017 in Soundtrack

Various Artists – Ghost In The Shell [Music Inspired By The Motion Picture]

Die Hollywood-Realfilmumsetzung des Klassikers Ghost in The Shell hatte von vornherein einen schweren Stand, scheint sich nun aber weitestgehend doch relativ wacker zu schlagen – wie neben dem dazugehörige Soundtrack von Clint Mansell auch die simultan erscheinende Music Inspired By The Motion Picture-Compilation nahelegt. An der (bis heute nichts von seiner unwirklichen Faszination eingebüßt habenden) Arbeit von Kenji Kawai für den 1995er Anime kommt diese zwar natürlich nicht heran, liefert bis auf einige wenige Ausfälle aber durchaus stimmungsvoll ab.

Besagte Ausfälle treten in den aufgefahrenen 40 Minuten bezeichnenderweise immer dann auf, wenn die Tracksammlung Ghost In The Shell [Music Inspired By The Motion Picture] das neonfuturistische Cyberpunk-Flair von Masamune Shirow’s Manga und der philosophischen Anime-Umsetzung von Mamoru Oshii in so trendaffinen wie massentauglich anbiedernden Dubstep zu übersetzen versucht – dabei aber im Grunde mit der austauschbaren Holzschnittartigkeit der entsprechenden Beiträge nur die Limitierungen des elektronischen Subgenres determiniert.
Dass Ki:Theory die gefühltermaßen drölfzigste Cover-Interpretation von Enjoy The Silence liefert, ist trotz des vielversprechend geisterhaften E-Pianos am Beginn schon grundsätzlich nötig wie ein Kropf, führt aber durch die uninspirierte Vorhersehbarkeit der eingesetzten Beats sowie der Diskrepanz zwischen aufgesetzt düsteren Industrial-Wucht und den ärgerlich belang- und kraftlosen Vocals sogar noch die Relevanz der guten aktuellen Depeche ModeDurchschnittlichkeit vor – ein beschämender Rohrkrepierer, der ohne den Filmtrailer als Beiwerk praktisch kaum eine Existenzgrundlage proklamieren kann.
Regelrecht fremdschäm-tauglich und geschmacklos dagegen der nach stereotypen Schemen arbeitende Steve Aoki-Remix von Utai IV: Reawakening: Wo breite Keyboardwände und eine sinfonische Hymnik erst noch optimistisch stimmen, kippt Aoki schnell in seine üblichen, brachial-durchsichtig schiebenden Brostep-Methoden samt maschinellem Reißbrett-Effektgewitter. Was wohl als Tribut verstanden werden sollte, ist nichts weiter als ein platter Offenbahrungseid, eine von der Stange kommende Schändung von Kawai’s Handwerkskunst.

Wie sehr gerade den demonstrativen Dubstep-Aushängeschildern der Compilation die anachronistische Magie und Ausstrahlung abgeht, mit der der heute 69 Jährige Japaner Kawai immer noch zu Werke geht, lässt sich nämlich leicht anhand des abschließenden Originals von Utai IV: Reawakening nachvollziehen. Kawai knüpft hier entlang der bekannten (bulgarisch-japanischen) Chöre, spannender Streicher und einer dringlich nach vorne getriebenen Percussion mit einer zeitlosen Klasse an das unsterbliche Theme der 1995er Umsetzung an.
Auch wird spätestens hier deutlich, dass Ghost In The Shell [Music Inspired By The Motion Picture] zwar stets überaus solide die langjährige Routine und Qualität aller Beteiligten im Spannungsfeld aus Elektronik, Ambient und Synthie-Ästhetik abruft, dazu das Flair der Vorlage im Windschatten von ähnlich veranlagten Arbeiten ala Cliff Martínez auch durchaus adäquat einfängt, es der über weite Strecken schlichtweg zu konventionell ausgelegten Compilation jedoch klar an originären – geschweige denn ikonischen! – Szenen mangelt.
Ein bisschen darf man sich insofern also an den Abspann der englischen Anime-Version von Ghost in the Shell erinnert fühlen, in der U2 und Brian Eno als Passengers ihr Stück One Minute Warning adäquat unterbringen konnten.

Nichtsdestotrotz – und in ähnlich stimmigen Maße – bauen auch die großen Namen, die sich 2017 von Ghost in the Shell inspirieren ließen, eine in sich geschlossene, dystopische und bisweilen beklemmend dichte Atmosphäre auf.
Cathryn’s Peak von Boyz Noize stampft etwa abgedämpft und durchaus hoffnungsvoll glimmernd in die 80er,  DJ Shadow dirigiert die verspulte Gitarren-Melodien von Nils Frahm in Scars durch ein digitales Traumland und gibt damit die ätherische Richtung der wunderbaren kleinen Piano-Elegie Surge (von den Trance-Experten Above & Beyond) vor.
IO Echo schweben dagegen durch einen bedrohlichen Aokigahara Forest, über dem chorale Gesänge wie Gespenster treiben, bevor sich der Song wie die flüchtige Interpretation einer Muse-Bridge zusammenbraut, während Tricky seine allgemeine Wiedererstarkung im sinister pochenden Instrumental Escape zelebriert. Pionier Gary Numan destilliert mit seinen mystisch, retrofuturistisch und androgyn entrückten Elektropop das Ambiente des Stoffes vielleicht dennoch am fesselndsten: Bed of Roses fließt immer wieder zu einem getragen-anmutigen Refrain mit großer Geste aus der bedächtig schreitenden Textureleganz – eine feine Ballade.

Und dann wäre da natürlich noch Johnny Jewel. Während der seit Jahren angekündigte Kill for Love-Nachfolger Dear Tommy ohne konkreten Informationsnachschub immer noch auf sich warten lässt, hat der Chromatics-, Glass Candy und Italians Do It Better-Boss die Zeit gefunden, drei Songs für Ghost in the Shell beizusteuern. Das mit postapokalyptischen Drive (an den Nicolas Winding Refn-Film darf man gerade bei Jewel‘s Beiträgen natürlich immer wieder denken) tickende The Hacker, die knapp halbminütige Intensivkur Free Fall, sowie das Richtung Hotline Miami pulsierende Grundgerüst The Key.
Auf das Schaffen der Szenegröße bezogen sind das drei absolut gelungen skizzierte (allerdings nicht restlos ausformuliert wirkende) Klangbilder – nur deswegen nicht unbedingt auch gleich essentiell. Was sich auch auf Ghost In The Shell [Music Inspired By The Motion Picture] im Gesamten ummünzen lässt: Eine durchwegs gelungene (wenn auch nur bedingt notwendige)  Angelegenheit, die Anhänger der vertretenen Musiker und Genrefans allgemein so souverän wie mühelos Freude bereiten wird, sich bald danach aber als Randnotiz des Ghost in the Shell-Universums positionieren wird.

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