Adrianne Lenker – Bright Future
Waren ihre bisherigen fünf Solo-Alben auch immer eine subtile Erinnerung daran, wo ihre Band Big Thief das Songwriting von Adrianne Lenker auf einen magischen Level zu heben verstand, ist Bright Future eine eindrucksvolle Demonstration der auf sich alleine gestellten Stärke der mittlerweile 32 jährigen Ausnahme-Könnerin.
Wobei die von Philip Weinrobe produzierte Platte immer wieder auch durch die subtilen Beiträge von Nick Hakim, Mat Davidson und Josefin Runsteen wächst, als müsste trotz allem ein soziales Korrektiv die Konzentration auf Lenkers Innenleben eine emotionale Balance beibringen, ohne den Fokus wirklich auf das Kollektiv zu verschieben. Beispielsweise wenn das umsichtige Already Lost am Lagerfeuer wie eine liebevolle Banjo-Hommage an die Grandezza von Grizzly Bear schmiegt oder Donut Seam als vage American Pie-Reminiszenz bezaubernd, explizit durch das sorgsam nuancierte Gemeinschaftsgefühl hinter den sehr genügsam inszenierten, fast eine LoFi-Ästhetik ausstrahlenden Songs in ihrer Zurückhaltung in den Arm nehmen.
Wo insofern die Unterschiede von Lenkers eigener Vision zu Big Thief liegen, lässt sich dann auch deutlich alleine schon an einem hier rumpelnden Vampire Empire nachhören, dass eine schroffere, ungeschliffenere, neugierigere, auch rauere und verspieltere Variante des runden 2023er-Standalone-Hits ihrer Band bietet – und wie mit seinem kantigeren, eckigeren Auftreten wie auch das ein klein wenig aus dem Kontext fallende (oder wahlweise: die ansonsten etwas gleichförmige Dynamik aufbrechende) Fool bietet, in dem beschwingter und munter ineinander oszillierenden springenden Gitarren-Bällen den Minimalismus suchen, wie ein organisches Elektronik-Experiment – samt Wink an ihre Wahl- und Bluts-Familie.
Ob diametral am anderen Ende des Spektrums- und trotzdem ohne Bruch in der homogenen Weise der Platte – einem Ruined als Abspann einer sanft schimmernden Romanze abseits des Solo-Kontextes möglich gewesen wäre, weil es fast dort konventionelle Schönheit erzeugt, wo Chris Martin ohne Stadion-Pathos feuchte Augen bekommt, sei dahingestellt.
Ähnlich (un- und doch vor allem)repräsentativ gestaltet sich nämlich auch der Opener Real House, der in seiner absoluten Nähe von Form und Inhalt sparsamen Inszenierung so unendlich intim und verletzlich ist, wie man das nur aus den markerschütterndsten Tagen von Phil Elverum kennt: ein zurückgenommenes Klavier, der knisternde Raumklang und diese das eigene Innenleben so schonungslos offenlegende Stimme erzeugen eine poetische Wärme, eine introspektive Melancholie und existentiell ruhige Nostalgie, die so sanft wie brutal ehrlich in bittersüßer Melodie und Fragilität Herzen brechen und gleichzeitig heilen kann – so sehr geht die autobiographisch erinnernde Erzählung mit starken Bildern und sorgsamen Instrumentarium aufwühlend an.
Danach geben sich die Kleinode im beinahe unscheinbaren Spannungsfeld aus Country, Americana, Folk und Singer-Songwriter-Zauberei die Klinke in die Hand – immer ausformuliert und komplett, wo Lenkers Solo-Material bisher die Tendenz zum skizzenhaft bleiben dürfenden Fragment auch auf kompositioneller Ebene zuließ.
Sadness as a Gift genügt ein wenig Fidel-Unterstützung zur klimpernden Sentimentalität um wie ein asketischer Nachhall zu Dragon New Warm Mountain I Believe in You, die aus dem mutmaßlichen Trennungsverschmerz möglicherweise doch irgendwie Hoffnung schöpfenden Zukunftsaussichten haben nichts kitschiges an sich, sondern rührend aufrichtig: „You and I could see into the same eternity/ Every second brimming with a majesty“.
No Machine ist kontemplativ liebevoll gezupfter Minimalismus in dezenter Harmonie und Free Treasure die vorsichtige Aufbruchstimmung in der Heimeligkeit. Candleflame gibt sich unendlich zart und liebevoll in den Windschatten von The Book of Love, Cell Phone Says beinahe nackt entblößt umso zuversichtlicher. Und das traurig-tröstende Evol meldet sich gleich als hauseigener Instant-Klassiker am Klavier an, ist exemplarisch warm und weich und niederschmetternd schön, die Streicher unterlegen so subtil mit immer mehr Drama. Die Lieblingssongs wechseln dabei in einem qualitativ konstanten, aber immer wieder besonders einnehmend nach oben zeigenden Fluss dennoch praktisch bei jedem Durchgang, während Bright Future an Tiefe gewinnt und eine vertraute Heimeligkeit entfaltet: besser war Lenker im Alleingang noch nie und selbst mit dem kongenialen Katalysator Big Thief im Rücken nicht immer.
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