Aesop Waits – Tom Shall Pass
Auch wenn die Spannweite zwischen den beiden vereinten Polen hier keine derart weite ist: ‚Tom Shall Pass‚ wird für 2014 wohl werden, was ‚13 Chambers‚ für 2011 war – eine traumhafte Mash-Up-Bastelarbeit als Highlight in einem bisher eher schwachen Hip Hop-Jahr.
Eigentlich ist diese Verbindung eine verdammt naheliegende: Ian Matthias Bavitz alias Aesop Rock alias der MC mit dem breitgefächertsten Vokabular im US-Hip Hop hat seiner Verehrung für Tom Waits auch abseits deutlicher musikalischer Verweise bei zahlreichen Gelegenheiten Ausdruck verliehen, während der 64 jährige mit seinen perkussiven Songs, Beatbox-Anleihen, DJ-Features und Gastauftritten wie der Hip Hop Party ‚The Spirit of Apollo‚ von N.A.S.A. seit langem eine (in)direkte Nähe zum Rap-Reich pflegt.
Was läge also näher als die Idee Material der Undergroundikone und der Musiklegende miteinander zu verbinden? Umgesetzt wird dies dennoch erst seit einiger Zeit von Aesop Waits, dem „the carny-barking weatherman“ [Mash-Up auf allen Ebenen!] aus Los Angeles, Californien – über den Mal eben abseits eines Twitter-Accounts und Bandcamp-Page wenig in Erfahrung zu bringen ist.
Konkret fußt ‚Tom Shall Pass‚ in chronologischer Reihenfolge auf den Rapparts des großartigen ‚Skelethon‚-Vorgängers ‚None Shall Pass‚ von 2007 und addiert dazu Instrumentale Passagen aus alles Phasen Waits – um ungehört erraten zu können welche Bausteine hinter ‚Reeperlawn‚ (‚Reeperbahn‚ und eben ‚Keep off the Lawn‚) oder ‚Pluto’s Away on Business / Bring Back Edward‚ (‚God’s Away on Business‚ und ‚Bring Back Pluto‚ mit einem durch die Mangel gedrehten ‚Poor Edward‚ als Appendix) hilft spätestens ein Suchlauf in der Medienbibliothek oder ein kombinierender Blick durch die Plattensammlung.
Nur notgedrungen finden sich bei derartigen Faust aufs Auge-Geschichten ein paar Haare in der Suppe: natürlich ist es schade, dass Aesop Rock hier weitestgehend alleine im Fokus steht, die Intredenzien aus Wait’s Fundus in den seltenen weniger beeindruckend das ürsprüngliche Szenario verschiebenden Momenten nur wie ästhisch ausschmückendes Beiwerk wirken, gefühltermaßen generell etwas zu selten über Grundierungsarbeiteben hinauskommen: wie gut das bellende Organ im Wechselspiel als zusätzlicher Melodielieferant funktioniert zeigt etwa ‚Undercomb Kids‚.
Freilich alles Jammern auf hohem Niveau, weil das Verpflanzen von Aesop’s Flow in die kaputte Jahrmark- und Piraten-Umgebung von Waits eindrucksvoll hervorhebt und in die sorgsam skelletierten Produktion vor Highlights strotzt, die die Gewichtungen der ursprünglichen Songs vollends aus den Angeln heben: ‚Singapore Harbor is Yours‚ geht auf urige Art sofort ins Ohr, die funky Bläser in ‚Citronella Eyeball‚ sorgen für eine bedrohlich-ausgelassene Stimmung, während ‚Five Finger Temptation‚ lässig zu grooven beginnt und ‚Dark Heart of Istanbul‚ ein twistender Tanzflächenfüller sein könnte. Am stärksten gelingt jedoch ‚Dirt City‚, eben weil das mit einem Mal ein absolut gleichberechtigtes Amalgam ist, in dem die Stimmung ins bedrückend melancholische kippt un am Ende eine regelrecht berührende Balladenanlehnung bleibt. Vor allem durch derartig genialistische Verbindungsbrücken hebt sich ‚Tom Shall Pass‚ darüber hinweg „nur“ akribische Cut and Paste-Unterhaltung zu sein und erfährt den Ritterschlag für derartige Spielereien: indem es sich künstlerisch wertvolles, eigenständige Gewicht und eine Identität aneignet. Am Ende stehen so 54 kurzweilige Minuten und ein stimmungstechnisch logisches Gesamtkunstwerk – noch erfreulicher ist da eigentlich nur, dass die Discographien von Aesop und Waits hiernach noch Material für zumindest 5 weitere Crossover-Spielereien liefern.
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