Amplifier – Echo Street
Kompakter, melodischer, harmonischer, zurückgenommener: Sel Balamir lässt Amplifier nach der so ausufernden wie erschöpfenden Monumental-Zerreisprobe ‚The Octopus‚ zur wohlverdienten Ruhe kommen.
Eine Platte wie ‚The Octopus‚ wolle er nicht noch einmal aufnehmen, sagt der Denker und Lenker über das zweistündige Opus Magnum seiner Band, für welches Balamir beinahe selbst zur Kracke werden musste, um den Aufwand von der Komposition der Musik hin bis hin zum Vertrieb in vollkommener Autonomie überhaupt stemmen zu können. Wo zwischen ‚Insider‚ und ‚The Octopus‚ also fünf Jahre lagen, entstand ‚Echo Street‘ in gerade einmal sechs Monaten und ist so in jeder Hinsicht ein Gegenmodell zu seinem Vorgänger, die vielleicht logische Konsequenz aus ‚The Octopus‚ geworden: Die Mannen aus Manchester gönnen sich die unaufgeregte Ruhe nach dem Sturm.
Und mögen Amplifier mittlerweile auch auf K-Scope, dem Stammlabel von Steven Wilson angekommen sein, sind es diesmal doch weniger Porcupine Tree oder Oceansize (deren Steve Durose mittlerweile fixes Bandmitglied geworden ist), die als erste Referenzpunkte herhalten: ‚Echo Street‚ findet viel eher die Überschneidungspunkte des klassischen Amplifier-Progressive Rock mit dem Vermächtnis von Pink Floyd, King Crimson und den Beatles.
Das vierte Album der Engländer strahlt über weite Strecken also als vergleichsweise leise Schönheit, Ausbrüche in die Härte bleiben eine Seltenheit, Amplifier sind im vierzehnten Bandjahr so wenig heavy wie nie zuvor. ‚Echo Street‚ ist durchflutet von einer feinen Melancholie, Durose’s Einfluss ist zu jedem Zeitpunkt und vor allem in der detaillierten Hintergrundarbeit der Platte zu spüren. Melodien werden hofiert, Vertracktheit umgangen, Sel Balamir vertieft seine Mitstreiter dazu Harmonielehren. Das zurückgenommene, sich nur auf seine anmutigen Akustikgitarren verlassende 70er-Folk-Gedenken ‚Between Today and Yesterday‚ spielt so mit verschobenen Backinggesangsspuren, ‚Where the River Goes‚ ist so lange ein spartanisch perlender Sehnsuchtsgesang, bis die Stimmung in den Off-Road-Modus kippt.
Eben dort treibt sich auch das stellenweise martialisch stampfende ‚Mary Rose‚ umher, mitsamt seinem grenzenlos feiernden Refrain. ‚Extra Vehicular‚ ist der Motor der Platte: die elegante Halbballade gönnt sich kontrollierte Ausbrüche und ist am Ende reine Progextase. Aber eben auch die Ausnahme von der gemächlichen Regel auf ‚Echo Street‚.
Im ätherischen Treibsand des richtungsweisenden ‚Matmos‚ lässt sich Balamir inmitten des psychedelischen Anstrichs zu „Na Na Na Na„-Linien hinreißen, nicht den einzigen hier: mit den souligen Synthiechören und erdenden Rhythmen schwebt der Titelsong jubilierend in das Erbe von Oceansize, das übermächtige ‚Paris in the Spring‚ hofiert in all seiner majestätischen Schönheit allerlei „Ba Ba Ba Ba’s„. Die Hintergrundorgel ist warmer Treibstoff für den Song, Balamir leidet „it’s only goodbye ‚til I see you again“ – und er tut dies mit der bisher begnadetsten Gesangsleistung seiner Karriere. Überhaupt hat der Tausendsassa diesbezüglich und vor allem auch produktionstechnisch auf ‚Echo Street‚ einen imposanten Schritt hingelegt.
Noch markanter wird diese Entwicklung angesichts der Tatsache, dass ‚Echo Street‚ tatsächlich mehr oder minder „nur“ ein kurzes Luftholen vor der nächsten Eruption Ampflifier’s sein soll, eine lockernde Fingerübung während das lange angekündigte ‚Mystoria‚ sich bereits in der Postproduktion befindet. Dass sich Amplifier mit dem um eine Elbow’sche Gesangslinie, unermüdlich funkelnde Synthiearbeiten und eine schabende Basslinien zirkulierenden ‚The Wheel‚ eine einzige Uninspiriertheit in der knappen Stunde ‚Echo Street‚ geleistet haben fällt im unaufdringlichen Prog-Rausch der Platte kaum ins Gewicht, das vierte Album der Engländer wächst sich trotzdem zu einem ihrer stärksten aus. Die ruhigen Töne, sie stehen den Engländern eben fulminant, die zurückgefahrene Härte vermisst man in den homogenen Charakteren der acht Songs kaum bis gar nicht. ‚Echo Street‚ verschafft Gewissheit: ‚The Octopus‚ hat Amplifier nicht verschlungen, sondern stärker gemacht. Und für diese neuerliche Kraftdemonstration müssen Balamir und seine Mannen diesmal noch nicht einmal ihre Muskeln anspannen.
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