Andalucía – There Are Two of Us

von am 24. Juni 2014 in Album

Andalucía – There Are Two of Us

Wo ‚There are two of us‚ als Albumtitel die Verhältnismäßigkeit der Dinge einerseits nahtlos auf den Kopf trifft – Philipp Ohnesorge und André Martens genügt ausnahmslos die Allianz aus schepperndem Drumset und schnoddrig attackierender Gitarre um kanalisierte Randale zu schlagen – weiß das Duo aus Münster natürlich nur zu gut, dass es die Kerbe an der Schnittmenge aus Noiserock und Grunge-Garage keineswegs alleine bearbeitet.

For fans of: Dinosaur Jr., Japandroids, Sonic Youth, Wipers“ schicken Andalucía den Sachverhalt gleich selbst auf den Punkt gebracht voraus, addieren etwa auch noch No Age ohne deren elaborierten Kunstanspruch oder die Lässigkeit der Times New Vikings, lassen das Schlagzeug nonchalant krachen und die Gitarre schmutzig klirren, entspannt bratzen, streunend beißen. Noise am Scheideweg zwischen Pop und Rock, meistens die goldene Mitte bevorzugend. Der Gesang hallt zwischen antreibend und gelangweilt im Untergrund, Produzent Christian Bethge weiß wie man eine Lo-Fi-Ästhetik mit einer vollen Produktion hinbekommt, wie der Sound gleichzeitig roh und ungeschliffen, aber auch fokussiert und kraftvoll zu klingen hat, man verneigt sich vor Steve Albini.
Sicher haben Andalucía  aus dieser Ausgangslage heraus in Zukunft noch Spielraum um aus dem direkten Einflussbereich ihrer Leitbilder zu emanzipieren und an unmissverständlich zu identifizierenden Alleinstellungsmerkmalen zu arbeiten – will man ein Haar in der Suppe finden, dann ist es dieses. Wie gut das alles wohl erst richtig werden wird wenn die beiden Münsteraner erst ihre ureigene Nische im Genrerahmen gefunden haben darf man sich deswegen zwar durchaus schon jetzt genüsslich ausmalen – gegenwärtig spielen derartige Gedankenspiele zumindest für die 40 Minuten von ‚There Are Two of Us‚ allerdings kaum eine Rolle: Andalucía haben Lektionen bei den Besten gelernt und verinnerlicht, schlichtweg die richtigen Songs auf Lager und dazu die nötigen Kniffe in der Hinterhand.

Patti Smith‚ ist ein sprintenter Wirbelwind in die Vergangenheit mit geschickt platzierten Verschnaufpausen, ‚I Can See Now‚ taucht sich immer wieder selbst für randalierende Exzessschübe an bis sich Ohnesorge [nur der Vollständigkeit halber: ja, dem kann man als Roadie von Messer bereits begegnet sein)  und Martens gegenseitig in einen Rausch peitschen. ‚CY‚ holt für Bruchteile von Sekunden ‚In the Meantime‚ in die Garage, platzt dann aber unmittelbar mit unbändiger und dringlicher Spielwut nach vorne schrammelnd los, hat wie auch das in eine abgründige Psychedelik zurückgelehnte ‚Anonymous God‚ einen nicht geringen Grad an dieser „Einfach mal machen„-Slackerhaftigkeit des 90er-Jahre Indie inhaliert, schummelt Melodien quasi über den Seiteneingang in die Gehörgänge, während das kompakte ‚The Shrill‚ gar nicht erst lange fackelt, sondern direkt zum biestigen kleinen Ohrwurm mutiert.
Auch wenn das Duo das Tempo rausnimmt und die Schwerpunkte dynamisch verschiebt zelebriert es Unmittelbarkeit, Lautstärke und Leidenschaft, ‚There Are Two of Us‚ ist impulsiv und mitreißend, der Soundtrack um die eigenen vier Wände mit Luftinstrumenten zu zerlegen. Andalucía gelingt mit dem Verstärker im Anschlag, woran viele Nahverwandte scheitern: eine immanente Energie nahtlos auf den Hörer zu übertragen, mit simplen Mitteln zu packen ohne eindimensional zu werden.

Die eigentliche Stärke der Band ist dabei nämlich gar nicht so sehr, dass Andalucía sich ungemein catchy artikulieren ohne mit übermäßigem Entgegenkommen stimulieren zu müssen, sondern vielmehr, dass sich ‚There Are Two uf Us‚ zwar immer Richtung Bühnengraben rockend verausgabt, aber insgeheim und gar nicht so paradoxerweise eine schwelgende Melancholie hofiert, die Songs wie dem nachdenklich suchenden ‚Margo‚ eine regelrecht bittersüße Note und schwitzende Schönheit verleihen. Mal ist das als hätten My Bloody Valentine Hummeln im Hintern, Yuck endlich wieder ein Ziel vor Augen oder The Pains of Being Pure at Heart zwar keine Synthies, aber Eier in der Hose.
Der brütende, auf- und abebbende Titelsong ist dann in letzter Konsequenz auch eine 10 minütige Sinnsuche zwischen sich aufbäumendem Optimismus und erschöpfender Verausgabung, „We’re not alone“ wirft Ohnesorge immer wieder als Mantra in den Raum und addiert dem programmatischen (Album/Song-)Titel damit zusätzliche Ebenen: Andalucía wissen selbst am besten, dass sie sich auf einem reichlich beackerten Territorium bewegen – und dass sie sich eben auch mit der nötigen Qualität auf das Parkett zum Tanz wagen, dass sich das Duo vor niemandem verstecken muss. ‚There Are Two of Us‚ ist liest sich deswegen auch vieles – furiose Visitenkarte, Versprechen an die Zukunft, Statement mit Gangmentalität in Minimalbesetzung; am schönsten aber: als Kampfansage.

07Andalucia uaf Facebook | Vinyl LP auf Sic Life Records

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