Batushka – Carju Niebiesnyj

Carju Niebiesnyj alias Царю небесный alias Heavenly King soll beweisen, dass Bartłomiej Krysiuk seit dem großen Batushka-Wirbel von 2019 mit seiner Projektionsfläche der Konkursmasse nicht nur auf Quantität anstelle von Qualität setzt.
Krysiuk scheint durch eine Riege an Veröffentlichungen und einer damit verbundenen konstanten Präsenz geradezu vergessen machen zu wollen, dass er via Hospodi mit seiner der beiden nunmehr als Batushka firmierenden und im Rechtsstreit miteinander befindlichen Bands weder bei Fans noch Kritikern reüssieren konnte, mittlerweile auch vom aufs falsche Pferde setzendem Label Metal Blade fallen gelassen wurde.
Während Ex-Kollege Krzysztof Drabikowski sich seit der Karambolage des doppelten Neustarts zurückgezogen hat, fügt „Bart“ seinem Output nach der Liveplatte Черная литургия / Black Liturgy / Czernaya Liturgiya und der EP Раскол / Raskol nun bereits den dritten Release seit 2019 hinzu – der, soviel sei bereits vorweggenommen, die öffentliche Wahrung der subjektiv weniger überzeugenden Batushka-Plattform wohl nicht unbedingt korrigieren wird.
Was allerdings gelingt, ist, seiner Version der Geschichte deutlicher eine eigene Identität zu verleihen und sich doch ein gutes Stück weit von der Vergangenheit zu emanzipieren – sei es notfalls auch mit der Brechstange und der Einladung an „several musicians from regional folk groups“ sowie einem „symphonic orchestra“.
Bis diese Intention zündet, dauert es allerdings. ПИСЬМО I / PISMO I eröffnet als Atmospheric Black Metal mit liturgischen Gesängen nämlich vollkommen reizlos und uninspiriert als austauschbarer Standard, zudem im dicken Sound enervieren glatt produziert. Der Einstieg in das Minialbum wirkt träge und ohne Biss, das Songwriting uninspiriert und formelhaft. Danach aber gelingt es Krysiuk den archetypischen Sound seiner Band variabler auszuleuchten.
ПИСЬМО II / PISMO II holt die kitschige choralen Elemente bereits von der Kanzel herunter und inszeniert sie als beschwörendes Kontrastmittel im Hintergrund, während die Vocals giftiger greinend zum Death tendieren, das Schlagzeug direkter ballert und etwas punkiger knüppelt. Über die Gitarren orientiert sich das Ergebnis trotzdem vor allem an den thrashigen Tendenzen von populäreren Blackgaze-Bands wie Deafheaven. Das Ergebnis ist jedenfalls mehr Reibungsfläche, auch der gesteigerte Zug tut gut, obwohl das Blastbeat-Gefälle genau genommen mäandert und bis zu einem aus dem Nichts kommenden, abrupt abgebremsten Akustik-Outro mit rezitierend ernster Miene vor allem seine Funktion als Ventil bedient.
Erst das schmissig eilende ПИСЬМО III / PISMO III gönnt sich ausnahmsweise mit Dringlichkeit hängen bleibende Melodielinien, obgleich dies eher im eigenen Batushka-Kontext für frische Impulse sorgt, als aus genretechnischer Sicht sonderlich spektakulär wäre. Die eher rustikale als mystische Mandolinen-Folklore des Finales wäre zudem abermals reine Willkür, würde nicht ПИСЬМО IV / PISMO IV im stark gedrosselten, schleppenden Tempo übernehmen und den ganzheitlichen Charakter der EP vertiefen. Wird das Segment nach und nach opulenter und energischer rasend, müsste diese Dynamik manisch funktionieren, doch will der Funke einfach nicht restlos überspringen. Es fehlt die zwingende Aggressivität, die hemmungslos überfallende Sucht. Was effektiv konstruiert ist, lässt die Impulsivität missen.
Eine Ambivalenz zwischen Theorie und Praxis, die Carju Niebiesnyj bis zum Ende hin begleitet. ПИСЬМО V / PISMO V flüstert im Ambient mit weiblichem, sakralen Klargesang, zu dem sich der andächtige Chant von Bart gesellt, um ein prätentiös die Einkehr suchendes Intermezzo zu basteln, das als Bindemittel durchaus Sinn ergibt, außerhalb des Gefüges jedoch redundant erscheint. ПИСЬМО VI / PISMO VI steht Batushka als zähflüssigere Doom-Annäherung sehr gut, wenn der Sound der Band nunmehr getragener, melancholisch und erhaben auftritt. Kurz nimmt sich der Closer vollkommen zurück, nur um für das klerikal ausholende Finale zur vollen eindringlichen Bandbreite anzuwachsen, mit orchestraler Unterstützung das epochale Momentum zu suchen. Der dergestalt emporgehobene Abschluss hat zwar den Beigeschmack, als würde hier eher die hymnische Ästhetik über der authentischen Emotion stehen, doch das Ergebnis rechtfertigt diese Entscheidung mit effizienter Reißbrett-Evolution, kompetent und souverän. Carju Niebiesnyj ist insofern kein befriedigende Ankommen, aber ein gar nicht so frustrierender Schritt nach vorne.
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