Captain Planet – Ein Ende

von am 10. Mai 2016 in Album

Captain Planet – Ein Ende

Das vierte Album von Captain Planet trotzt jedem „Wir geben auf„, zeigt keine Anzeichen von „Zu schwach, zu wenig/ Alles viel zu sehr gewollt„, ist kein Ende – sondern ein furioses Weitermachen: „Weiter!/ Bis die Stimme aufgibt/…/Bis alles zerfällt/…/Niemals die Kraft, doch es geht weiter.“ Verdammt, was würde man nur ohne die Hamburger Ausnahmeband tun?

Als erster Vorbote kippt Vom Ende an innerhalb weniger Augenblicke den Schalter um: Captain Planet machen auch nach vier langen Jahren Wartezeit nichts falsch, soviel ist unmittelbar klar. Schnittige schrammelnde Gitarren und die straffe Rhythmussektion sprinten da um die Wette nach vorne, im Verbund von Jan Arne von Twisterns greller Stimme entsteht da eine so intensive Dringlichkeit, die anderswo selbst in den explosivsten Momenten nicht drinnen wäre. Jeder neue Momente nimmt einen da wie im Sturm, gewinnt das Herz aufs Neue und erinnert gleichzeitig daran, wie sehr man diese Band sowieso stets verehren muss – für ihre Konsistenz, diese halbkryptischen Texte (von Twistern holt mit seinen assoziativen Alltagsbeobachtungen wieder in Windeseile ab – wo er einen hinbringt, bleibt jedoch wie immer individuell offen), für dieses atemlose Gefühl einer unbändigen Leidenschaft, wenn jeder Ton vor Energie förmlich zu bersten scheint.
Denn eingebettet im restlichen Albumkontext weiß man nun auch: weniger flott nach vorne gehend wird Ein Ende auch um seine fulminant zuverlässige Vorabsingle herum nicht, im Gegenteil: 31 Minuten zeigt das Quintett hier einen steten Zug zum Tour, kennt keine Umwege, steigert sich regelrecht rauschhaft in einen infektiösen Spielwitz. Wie die Band in dieser unbedingt flotten Dynamik ohne Punkt und Komma keine Abnutzungs- oder Ermüdungserscheinungen zeigen kann, bleibt insofern gleichzeitig Erfolgsrezept wie Geheimnis der Platte.

Und das obwohl sich die Perspektiven geändert haben, die Reihenhäuser nicht von irgendwo vom Artwork blicken, man sich mit dem Älterwerden, neuen Lebenssituationen und dem Vergänglichen auseinanderzusetzen beginnen muss. „Du sitzt neben mir und sagst alles wird besser nächstes Jahr/ Wenn wir wieder da sind – falls wir wieder da sind/ Ich glaub ich bleibe hier, rede noch ein wenig mit dem Wind/ Und such nach einem Satz, um meine Trauer zu bekunden/ Du suchst nach einem Knopf, um dieses Treppenhaus zu fluten/ Und du schaust zu, wie sie ihre Häuser bauen, jedes Jahr aufs Neue.
Punkrock im Alltag zwischen Familie und Brotjob-Berufsleben, zwischen Nicht-Angekommensein und Aufbruchsstimmung, immer am Limit. Genau dieser Enthusiasmus hinter der allgegenwärtigen Melancholie ist es dann auch, der Ein Ende beständig anfeuert: Was der dumpfere Vorgänger Treibeis an Varianz vorweghatte, gleicht die Band hier mit einer derart homogenen Salve an sich stets ebenbürdigen, so hungrig und fettfrei geschriebenen Sturm und Drang-Songs aus, die jedes Mal aufs neue Favoriten ins Rampenlicht schicken.

Mal ist es das hyperaktiv abgehende St. Peter, mal die hypermelodisch abwartende Tulpenfarm. Kreisel dreht sich schwindelerregend in Schüben kommend in den Kanon der Bandklassiker, Fenster im Fenster gackert so unheimlich schmissig twistend, Irgendwas destilliert den Charakter der Platte mit durchatmenden Zwischentönen: „Jede Kreuzung eine weitere Entscheidung/ Ein Blick mehr über deine Schulter, jedes mal wenn du stoppst/Wenn du es schon nicht schaffst, was zu ändern, sei doch glücklich mit dem was du hast.“ Und plötzlich ist wieder jede einzelne Nummer hier ein neuer Lieblingssong, alles so wertvoll und ergiebig, entwickelt ein unstillbares Suchtpotential.
Wie Captain Planet ihre Ampeln dabei auf Grün schalten, weiß man natürlich längst, doch auch diesmal ist irgendetwas anders – gerade der Sound der Band. Matula-Mann Sebastian Beier ist seit 2012 offiziell mit an Bord, und damit auch eine dritte Gitarre. „Ein Ende sollte ausloten, wie uns ein richtig großer Hi-Fi-Sound steht„, erklären Captain Planet und meinen damit die wohl beste, weil klarste, kräftigste und direkteste Produktion ihrer Karriere, in denen sich all die Nuancen ihres hingebungsvollen Songwritings so mitreißend wie raumfüllend entfalten. Dass die Wartezeit offenbar zwischen jedem Album exponentiell um ein Jahr steigt, nimmt man da nur zu bereitwillig in Kauf. Ersetzen kann Captain Planet in der Zwischenzeit ja ohnedies niemand.

 

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