Chrystabell & David Lynch – Cellophane Memories
Elf Jahre nach The Big Dream ist es wohl am schönsten, den ambienten Synth Pop und avantgardistischen Ethereal Wave auf Cellophane Memories als stimmungsvollen Tribut von David Lynch und Chrystabell an das 2022 verstorbene Twin Peaks-Duo Angelo Badalamenti und Julee Cruise verstehen zu wollen.
Was aber gar nicht so einfach ist. Denn leider gaben im Vorfeld der Veröffentlichung absurde Streitigkeiten dem Projekt bereits einen unangenehmen Beigeschmack auf den Weg, weil die hochtrabende Ankündigung einer baldigen Ankündigung nicht die vielerorts herbeigesehnte Rückkehr von Lynch auf den Regiestuhl versprach, sondern eben nur die nun vorliegende musikalische Kooperation – soviel war aufgrund eines versehentlichen Spoilers von Crystabell nämlich eigentlich unmittelbar klar. Nur fühlte sich die Texanerin von einem Musik-Webzine, das diesen Umstand unterstrich, um den Überraschungseffekt der Enthüllung betrogen, woraufhin ein wenig freundliches Geplänkel auf X zwischen den Parteien losbrach.
Und nun, nach dem Release von Cellophane Memories, dominiert vor allem die frustrierende Nachricht über David Lynchs Erkrankung die Wahrnehmung – und blockiert zusätzlich eine gewisse Freude über die aufgefahrenen 37 Minuten des Albums.
Zwischen diesen beiden Zeitpunkten steht zudem, und dies ist die eigentliche Crux an Cellophane Memories, ein – man muss es angesichts des bisherigen musikalischen Outputs der beiden Parteien leider so sagen – erwartungsgemäß ambivalentes Werk.
Typische Twin Peaks-Synth-Landschaften voll unterschwelliger Dramatik und düsterer Abgründigkeit bilden dabei die musikalische Basis von Cellophane Memories – irgendwo zwischen routinierter Kompetenz und selbstreferentiellem Autopilot. Chrystabell singt dazu ätherisch, ihre Gesangsspuren überlappen sich in einer collagenartigen Technik, blenden fragmentarisch in einem nebulösen Wellengang über.
Und liegt hier das gravierendste Problem: Die Stimm-Schwaden sind präsent bis zur Aufdringlichkeit, kleistern die strukturfreie Klangmalerei förmlich zu, Chrystabells Beitrag übersättigt einfach – die körperlos beängstigende Präsenz in Reflections in a Blade bekommt so beispielsweise nicht genug Raum um sich zu entfalten, die elegischer nuancierte, optimistische Zurückgenommenheit in Dance of Light kann kaum atmen, und das wirklich schöne So Much Love wäre ebenfalls soviel besser, wenn der einnehmende Gesang die Melodie akzentuierter eingesetzt hätte.
Dazu kommt eine generelle Gleichfömigkeit auf allen Ebenen, die nur selten aufgebrochen wird: You Know the Rest mit seiner James Hurley-Reverb-Gitarre und rückwärts gespulten Ästhetik tut dies ansatzweise als eine feine Ballade, in der die traurige Melancholie greifbarer funktioniert als im generell mäandernden Verlauf. Und auch in den Saiten von Two Lovers Kiss lässt sich die Magie von Julee Cruise beinahe erahnen, derweil das mit einem entrückten Beat wie eine sedative Dampflok geschleppte The Answers to the Questions eine mystische Anziehungskraft entwickelt.
Doch letztendlich fallen vor allem Kritikpunkt auf. Dass einige Songs überhastet ausblenden und so dem ganzheitlichen Fluss einer Platte schaden, die eigentlich ein ganzheitlicher, homogener luzider Traum sein will.
Weswegen (das freilich ohnedies eine gewisse Stimmung vom Hörer verlangende) Cellophane Memories auf Sicht auch weniger Stück, als in selektiven Einzelteilen konsumiert werden dürfte. Was wiederum kaum der Anspruch eines Lynch-Werks ist.
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