Dawn Ray’d, False, Norikum [18.11.2019: Sub, Graz]

von am 19. November 2019 in Featured, Reviews

Dawn Ray’d, False, Norikum [18.11.2019: Sub, Graz]

Eine Handvoll Besucher erlebt eine transnationale Black Metal-Nacht mit einer Prise Melo-Death im Sub unweit der Makellosigkeit: Für das britische Trio Dawn Ray’d eröffnen die Amerikaner von False sowie die Grazer Norikum.

Irgendwann gehen Ende erklärt Dawn Ray’d-Frontmann Simon Barr dem Sub seine Liebe und dass es eine Ehre für ihn sei hier spielen zu dürfen. Das kommt tatsächlich absolut authentisch an. Denn so irritierend es auf den ersten Blick sein mag, neben dem lokalen Support zwei von der internationalen Presse hochgeschätzte Black Metal-Senkrechtstarter in einem relativ kleinen „Punkschuppen“ sehen zu können, ist das nicht nur von der Lokalität her, sondern auch von der ziemlich überschaubaren Besucherzahl sinnbildlich für die gesamte aktuell laufende Tour von Dawn Ray’d und False: Viele sehen die Show zwar nicht, dafür werden geschätzt ausnahmslos begeisterte Multiplikatoren zurückgelassen. Es passt stimmungstechnisch und auch atmosphärisch, zumal man die zwei Hauptacts zukünftig wohl nicht mehr in einem so kleinen Rahmen erleben können wird. Insofern kann man Barren Fields Booking und dem Sub nur Dank aussprechen, einen Abend von diesem Kaliber zu veranstalten. Und attestieren, dass die Ehre auf Gegenseitigkeit beruht.

Norikum Live 1

Norikum

Den Einstieg besorgen die Lokalmatadoren von Norikum. Warum man die Grazer Band bisher trotz zwei veröffentlichter Alben noch nicht am Schirm hatte bleibt offen – immerhin hinterlässt sie alleine optisch Eindruck, wenn die Dreads und teilrasierte Matten windmühlenartig kreisen. Drummer Hurdax sieht dazu staturmäßig aus wie der Hulk und spielt wie eine präzise Bestie. Er bleibt aber auch deswegen der Scene Stealer, weil der restliche Sound ein bisschen schwer zu differenzieren ist: Alleine die technisch fingerfertige Lead ist beispielsweise nur bei den Soloparts wirklich individuell zu hören. Allerdings zünden die Songs und heizen ungeachtet der stilistischen Abweichung vom restlichen Feld rasant ein, sind trotz des einen oder anderen effektiven Inszenierungs-Klischees samt definitiv im gehobenen Feld des zum Thrash schauenden Melodic Death Metal zu verankern – obgleich älteres Material seine Vorbilder noch deutlicher bei etwa System of a Down zu suchen scheint. Immerhin stammt das Gros der Setliste ohnedies vom aktuellen Album Ad Nauseam. So oder so: Da besteht offensichtlich Aufholbedarf, den Bandcamp deckt.

False Live 1

False

False-Drummer Travis ist nicht so durchtrainiert wie sein Grazer Kollege, aber hinter der untersetzten Metal-Fassade einfach ein wahnsinniges Inferno von einem Schlagwerker. Er spielt über eine halbe Stunde in einen absurden Tempo und hievt die ohnehin schon geschätzte False-Platte Portent in der Gunst noch einmal furios nach oben.
Das zweite Studioalbum der Band aus Minneapolis gibt es dann auch praktisch zur Gänze und chronologisch dargeboten, wenn auch wie mit zusätzlicher Nitro-Einspritzung eskalierend, weil nicht nur Travis wie von der Tarantel gestochen alles gibt. Die Performance des Quintetts ist extrem stark und intensiv, wirft eine uneitle No Bullshit-Attitüde und extreme Hingabe in Waagschale. Gitarrist Scorpian Vanderbrook und die bestialisch keifende Krankenschwester Rachael stehen vor den irren Duracell-Drums im zweiten Vordergrund, der Rest der Band (mit Ausnahme des unscheinbar bleibenden Synthies-Mannes Kishel, der im etwas zu dichten Klangbild undankbar untergehend nur über ein deplatziert wirkendes Sample-Interlude das Spotlight bekommt) wirkt (gerade in Form der superstylischen Gitarristen) optisch wie aus dem anachronistischen Outlaw-Lehrbuch der 80er entsprungen, reckt Gitarrenhälse episch zur Decke oder schulmeistert ruhelos umherstreunend mit formvollendeten Zeigefingereinsatz. Das Material von Portent gerät so noch frenetischer und kurzweiliger als schon auf Platte, auch wenn die energische Kraft live über die ergebende Hymnenhaftigkeit der Melodien geprügelt wird.
Dass dennoch eine relativ reservierte Distanz von Seiten des Publikums herrscht und auch (bis zum Finale) kaum Interaktion von der Band kommt, macht vielleicht angesichts der atemlosen stilistischen Ausprägung Sinn – theoretisch wären hier aber alle Weichen gestellt, dass die Euphorie überschwappen müsste.
Unabhängig davon ein zusätzliches Plus: Die Bandmitglieder erweisen sich allesamt als extrem nette Typen und tragen nach der Show sympathisch dazu bei, dass der Stopp an der Murmetropole der ersten Europatour der Amerikaner als gefühlte Hauptattraktion gehörig Eindruck hinterlassen hat. Grandios!

False Live 2

Setlist:

A Victual to Our Dead Selves
Rime on the Song of Returning
The Serpent Sting, the Smell of Goat

False Live 3

False Live 4

Dawn Ray’d

Dem tatsächlichen Main Act muß man dann zuletzt jedoch erst einmal Abbitte leisten. Denn so unausgegoren die aktuelle Studioplatte Behold Sedition Plainsong auch wirken kann, so unfassbar gut funktionieren die „Battle Hymns for the Class War“ der Liverpooler nun auf der Bühne. Die Dynamiken zwischen Laut und Leise interagieren hier viel infektiöser und homogener, die Melodien packen unmittelbarer, die reißendere Schlagseite der Inszenierung tut den Songs generell verdammt gut und gerade die rasenden Parts wecken deswegen sowieso schlichtweg die pure Freude am archaischen Black Metal. Irgendwie sind das nun sogar ziemliche Hits. Kein Wunder also, dass Gitarrist Fabian Deviln in seinem glühenden Spiel permanent eine verzerrte Jokerfratze aufgesetzt hat, während Drummer Matthew Broadley zweckdienlich antreibt und sich Barr im stimmungsvoll ausgeleuchteten Raum in stilechte Szene-Posen wirft, seine Violine effektiver akzentuierend auspackt. Dass die Band (auch aufgrund der wenigsten Instrumente im Spiel) zudem den besten Sound hat, tut sein übriges: Dawn Ray’d liefen richtig stark ab!

Dawn Ray’d Live 5

Dawn Ray’d Live 1

Wieviel mehr aber an sich trotzdem noch drinnen gewesen wär, zeigt sich durch die knappe Ansprache von Barr zum Stand der Dinge aus der Sicht der drei Anarchisten. Erst danach springt der Funke nämlich erst wirklich restlos über, es brandet Jubel jenseits der Höflichkeit beim (gefühlt bei jeder Band die erste Reihe austauschenden) Publikum auf und das Konzert legt noch eine gehörige Schippe in den roten Bereich zu. Da hätte die Luft brennen können.
Dass es hinter dem regulären Set ausnahmsweise dennoch eine Zugabe gibt ist fein, ändert aber auch nichts daran, dass wirklich jede einzelne Band an diesem Abend  gerne noch deutlich länger hätte spielen dürfen. Ohne eine Sekunde Leerlauf ist das im Umkehrschluss allerdings auch ein nahezu makellose Show voller Spielwitz und Power, die die (nicht existenten bis übertreiben hohen bis solide verhaltenen) Erwartungen allesamt mühelos übertroffen hat.

Dawn Ray’d Live 3

Dawn Ray’d Live 6

Dawn Ray’d Live 4

 

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