Hemlock Ernst and Kenny Segal – Back at the House

von am 1. November 2019 in Album

Hemlock Ernst and Kenny Segal – Back at the House

Seit Jahren sammelt Future Islands-Frontmann Samuel T. Herring als Hemlock Ernst schon Credibility in der Hip Hop-Szene und Gästelistenplätze bei Größen wie Madlib, Open Mike Eagle oder Milo. Für sein erst jetzt erscheinendes (Quasi-)Debütalbum Back at the House hat er jedoch den idealen Zeitpunkt abgewartet.

Immerhin könnte das Momentum kaum mehr auf seiner Seite sein als jetzt: Als Kooperationspartner, Beat-Lieferanten und Produzent hat sich Herring mit Kenny Segal einen Mann der Stunde ausgesucht – bereits Hiding Places, dessen Zusammenarbeit mit Billy Woods, zählt zu den Highlights des diesjährigen Rap-Jahrganges und sorgt für den richtigen Rückenwind.
Segal hat Hemlock Ernst allerdings vordergründig betont sanfte und latent um die Ecke entspannte Beats voller organischer Akzente wie ruhender Gitarre gezimmert, stets ein bisschen abstrakt und leicht jazzig angehaucht. Minimalistische Downbeat-Kontruktionen, bisweilen sogar sentimental, warm und angenehm. Nicht nur im kotrastreicher groovenden Messy addieren schließlich sogar Bläser ein latentes R&B und Soul-Flair, das Back at the House exzellent steht.

Der 35 Jährige Protagonist liefert in diesem Ambiente zumeist eine entsprechend unaufgeregte Performance, konterkariert phasenweise sogar die überschwängliche Darbietung bei den Future Islands. Selten kann man das wohl auch dezent lethargisch und zu wenig kraftvoll finden. Und – durchaus ironischerweise angesichts des Werdeganges und Etablierungsprozesses von Hemlock Ernst – in paar Features hätten hier und da wohl auch tatsächlich zwecks ein paar zusätzlicher Impulse gut getan. Doch im Detail wie übergeordneten Spannungsbogen bleibt die Dynamik der Platte ohnedies gegeben, das Tempo und Intensität wechseln ständig und halten wachsam, man wird nachhaltig entlohnt.
Bless the Fire klimpert etwa neben einer undurchsichtig-mysteriösen Dringlichkeit zu aus der Zeit gefallenen Retro-Arrangements, während das somnambule Addicted Youth im schimmernden Lavalampen-Zwielicht verführerisch Hooks aufbereitet oder Down vor sedativen Texturen energisch nach vorne geht. Die Performance der beiden Musiker sitzt, kommt aber stets über die Hintertür.

Wirklich überragend aber wird Back at the House, wenn Herring seine zwei Identitäten fusioniert und die niemals trivialen, aber immer profan und ehrlich-sachlich mit distanzierter Poesie zum Punkt findenden Texte über die Abgründe des Lebens, Depressionen und soziale Schwierigkeiten mit gefühlvoll akzentuiertem Gesang anreichert. Gerade wenn North to South sich einen leicht psychedelisch entrückten Refrain gönnt oder das überragend melodieselige Less Unsettled voller Melancholie schwelgt.
In dieser Konstellation betört eines der unerwartetsten, aber auch subversivsten Alben des Hip Hope-Games 2019 voller unaufdringlichem Tiefgang, ist kurzweilig und ohne jegliches forcierte Element kurzweilig und unterhaltsam. Dass hier zwei heimliche Meister ihres Fachs agieren ist deswegen nach 40 Minuten klar. Bleibt also nur die Frage: Wie tanzt Herring wohl zu dieser Platte?

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