Jeff Rosenstock – Thanks, Sorry!

von am 24. Oktober 2019 in Livealbum

Jeff Rosenstock – Thanks, Sorry!

Erst hat Jeff Rosenstock – seines Zeichens „professional recording artist and person“ – die Setlist angeblich vergessen und feuert für Thanks, Sorry! dann einfach ganze 29 Songs seiner Karriere hinterher. Daraus sind nicht nur Fanträume gemacht.

Weil: Wer den 37 jährigen bisher noch gar nicht auf dem Schirm hatte, aber sich in einer punkigeren (Power/ Pop bis Indie-) Schnittmenge aus Weezer und Car Seat Headrest wohlfühlen könnte, der findet in Thanks, Sorry! einen umfassenden Einstiegspunkt in eine Diskografie, die (nicht nur, aber auch) genau den prolongierten Geschmack bedient. Wer den Mann aus Long Island und seine überbordenden Veröffentlichungshaushalt bisher wiederum bereits zumindest gut fand, der darf ihn nun sogar als herausragend einstufen. Und langjährige Anhänger werden dann sowieso zahlreiche Gründe finden, um die für Thanks, Sorry! auf (ungeachtet einiger auf Vinyl noch hinzugefügter Bonustracks) eineinhalb Stunden zusammengefassten – fein aneinandergerieten, aber leider nicht vollständig auf Tonträger konservierten – Auftritte von Rosenstock an vier aufeinanderfolgenden Nächten im Februar 2019 in der Bowery Ballroom von New York City  in pure Euphorie zu verfallen. Denn kurzum: Thanks, Sorry! ist in jeder Stufe ein purer Katalysator für die Wahrnehmung von Rosenstock und schlichtweg eines der stärksten Livealben des Jahres.

Thanks, Sorry! gelingt es schließlich, die vor Energie und Spielwitz strotzende Impulsivität respektive absolut mitreißende Power, die Rosenstock und seine furios dicht stehende Band auf der Bühne erzeugen, ohne Druckverlust zu konservieren. Mehr noch: Das Material der Platte klingt damit sogar besser als die regulären Studioalben von I Look Like Shit bis Post-, durch die Rosenstock einen gelungenen Querschnitt liefert und dabei praktisch distanzfrei, authentisch und charismatisch in seinen Bann zieht. Die bisweilen enorm unterhaltsamen Publikumsinteraktionen tun der unkomplizierten Nahbarkeit freilich auch keinen Abbruch, wenn man sich bei „Grammy-Boy“ und Produzent Jack Shirley im Livestream bedankt, persönliche Gespräche zu Gunsten der Show-Spritzigkeit unterbunden und gleich vorab Allianzen gegen asoziale Unruhestifter geschmiedet werden.

Die Essenz also: Thanks, Sorry! klingt spitze und macht einfach unheimlich viel Spaß – man hört und spürt den Bock, den alle Beteiligten hier hatten.
Schwer zu sagen also, wo sich die Favoriten anstellen. Vielleicht, wenn beispielsweise Yr Throat oder Melba mit zusätzlich flimmernden Synthies ausstaffiert werden oder das erst träumende TV Stars das themengenau passende, hochexplosive Craig of the Creek umso knackiger einläutet. Festival Song macht mit seinem schiefen „Ohohooo“-Beginn einen triumphalen Einstieg und mutiert zum Gemeinschaftsprojekt, das seinem Namen alle Ehre macht. The Internet Is Everywhere pfeift als Solonummer der Sentimentalität dissonant eins aus und Nausea täuscht den Saxofonauftritt an, hofiert dann aber doch lieber ein gniedelndes Solo und feierliche Backingvocals.

Das knapp zehnminütige Let Them Win mäandert als Übergang in den Zugabenblock vielleicht eine Spur zu akkurat an den realen gegebenheiten der Shows verhaftet über ereignisloses Wabbern ohne Band auf der Bühne, greift danach mit dem spontan aus der Hüfte geschossenen MU330-Cover KKK Hiway aber auch einen allseits begeistert in Angriff genommenes Wunsch aus dem merklich enthusiastischen Publikum auf – irgendwo dort, wo Titus Andronicus heutzutage nicht mehr derart versifft und überschwänglich hingelangen. Twinkle wagt den Spagat zwischen Acapella und Harcore-Spiritus, 9/10 ist eine gerne angenommene Liebeserklärung und You, in Weird Cities eine einzige furios (zurückkommende) Party.
An der man als Hörer eben auch knapp 9 Monate später absolut packend teilnehmen kann, als wäre man mittendrin im Geschehen – dank der Veröffentlichungspolitik von Death Rosenstock digital via Bandcamp sogar zum potentiellen Nulltarif. Um die luxuriöse Vinylversion („IT IS A DELUXE-ASS 29-ISH-SONG TRIPLE LP GATEFOLD WITH A 76-PAGE PHOTO BOOK BY HIRO TANAKA!!! WITH PHOTOS!!!„) überhaupt zu ergattern muß man sich derweil eh schon ranhalten.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen