Kim Deal – Nobody Loves You More

Knapp zwölf Jahre nach den ersten paar sporadischen Singles (und natürlich rund vier Dekaden im Musikbusiness) hat Kim Deal mit Nobody Loves You More tatsächlich doch noch die Zeit gefunden, ihr erstes Soloalbum aufzunehmen.
„Now is the time for me to get what I want/ …/ We’re having a good time“ singt die 63 jährige im Closer A Good Time Pushed, der seinen Komfortbereich – wie auch das gemütlich rockende Wish I Was – unweit besserer Pixies-Zeiten aufschlägt.
Ansonsten aber fungiert Nobody Loves You More wie ein Mixtape. Es spielt mit den Freiheiten und Möglichkeiten um die risikofreie Zone, holt mit unverkennbarer Stimme, Handschrift und dem Trademark-Händchen für Melodien und Hooks zu einem sofort vertrauten Potpourri-Mosaik ab, das trotzdem immer wieder Neuland betreten will.
Das romantisch schunkelnde, friedlich fast radioheadesk verträumte Titelstück gönnt seinen pendelnden Gitarren etwa Streicher und dreht dann mit Hollywood-Bläsern ab, die auch die smooth groovende Indie-Lockerheit von Coast beschwingt begleiten, während Crystal Breath mit tanzbar stampfendem Beat und bratzenden Noise-Distortion-Gitarren die Elektronik hofiert. Das ätherische Interlude Bats in the Afternoon Sky führt zu Summerland, das mit mit jazzigen Drums nonchalant durch orchestrale Arrangements wie aus alten Hollywood Film flaniert und die grundlegende Nostalgie der Platte gut einfängt, bevor Come Running in harmonischer Schieflage torkelt, weich und kantig die bittersüße Reibung der Niedlichkeit mit schroffen Konturen pflegt.
Zu dieser stilistischen Vielseitigkeit passt es auch, dass Deal für das dabei entstehende Song-Sammelsurium ohne übergeordneten Spannungsbogen nicht nur zahlreiche Unterstützer versammelt – wie unter anderem Schwester Kelley und andere ehemaligen Breeders (Jim MacPherson oder Mando Lopez) Savages-Mitgliedern (Fay Milton und Ayse Hassan prägen Big Ben Beat, das wie ein Metal-affiner Remix in den Verlauf grätscht), Raymond McGinley (Teenage Fanclub), Jack Lawrence (The Raconteurs), Josh Klinghoffer oder sogar Steve Albini – sondern praktisch seit 2011 Material zusammenträgt.
Wish I Was rockt wattiert wie ein aus der Zeit gefallener Eels-Song, als gälte es musikalisch ein Gefühl der eigenen Teenagerzeit aus der Erinnerung heraus zu artikulieren, wo Deal auch inhaltlich sehnsüchtelt („Standing strong/ It makes me wish I was young“). Und Are You Mine? schippert romantisch mit Pedal Steel, Streichern und Bläser durch die Melancholie durch die 50er und bekennt aus der Perspektive der alzheimerkranken Muttter: „I have no time for nothing but love“. Wundervoll.
Trotzdem ist Nobody Loves You More weniger ein Album, das nach hinten blickt, als dass es sich nach vorne orientiert. Das Songwriting ist stets toll, aber nie überragend, doch mit selektiv strahlenden Einzelnummern könnten die neu gefundenen Freiheiten hier im für Deal einfach unschlagbaren Breeders-Kontext als spannende, effektiver zündende Optionen aufblühen.
Kommentieren