Le Butcherettes – bi/MENTAL

von am 2. Februar 2019 in Album

Le Butcherettes – bi/MENTAL

Teri Gender Bender hat nach dem Crystal FairyAusflug mit bi/MENTAL das bisher zugänglichste, songdienlichste Le Butcherettes-Album aufgenommen – und trotzdem die womöglich inkonsequenteste Momentaufnahme ihres bisher so unbändigbar gewirkt habenden Garage Rock-Energieventils.

Böse Stimmen behaupten ja gerne, dass die bisherigen Werke von Le Butcherettes vornehmlich alleine Rechtfertigungen für Terri Gender Bender darstellten, um auf der Bühne ihre überschüssige Power als Rampensau abzubauen. Und tatsächlich schien auf Tonträger konserviert die Attitüde oft wichtiger als das Songwriting dahinter, Impulsivität prägender als kompositorische Fähigkeiten.
Zwar besteht die Substanz von bi/MENTAL nun immer noch zu einem Gutteil aus destillierter Ästhetik als intuitivem Katalysator, doch drängt nun mehr Griffiges in den Vordergrund als je zuvor: Die Strukturen sind bekömmlicher, die Melodien und Hooks gefälliger, Bender hat ihre tollwütigen Krallen zugunsten eines zweckmäßiger verdaulichen Formats eingefahren – die Schreibweise der Titel gibt sich verrückter und unkonventioneller, als es die 13 Nummer der Platte eigentlich sind. Aber warum auch jede Nummer gegen den Strich bürsten, wenn man doch auch ein bisschen deutlicher mit dem Strom schwimmen kann?

Ein durchaus erfrischender Ansatz für eine Band wie Le Butcherettes – genau genommen eine fortgesetzte Entwicklung vom bereits deutlich poppiger akzentuierten, weniger roh und ungeschliffen von der rotzigen Frühphase wegwandelndenVorgänger A Raw Youth – was dann allerdings nur ein einziges Mal wirklich nachhaltig auf den Punkt findet: strong/ENOUGH ist ein aus der abgedämpften Programmierung wachsender Hit für Stadien mit Killerrefrain – und spätestens bei den Drums am Ende wünscht man sich eine Reunion der Bosnian Rainbows.
Drumherum entfalten Le Butcherettes dann auch ein stimmiges Sammelsurium aus rumpelndem Art-Poprock mit Synthieeffekten und spanischen Passagen, das einige hervorstechende Szenen zu bieten hat. spider/WAVES ist ein perkussionlastig polternder und stacksender Noiserock mit einem unmittelbaren Gespür für Eingängigkeiten, aber auch ein Clusterfuck aus zusammengewürfelten Parts – Refrain, Pre-Chorus und Strophe passen nicht zusammen, ein willkürliches Jello Biafra-Feature rezitiert sich entsprechend zu krautigem Mäandern. In give/UP kommt eine punkig-knackige Surf-Kante trotz Stooges-Vibe nicht vollends aus der Belanglosigkeit, während father/ELOHIM seine Wucht zu domestiziert einsetzt, jedoch mit nostalgischem Wave-Fanfaren-Anstrich überzeugt. little/MOUSE könnte dagegen (im positiven wie negativen) eine inkonsequente jüngere Yeah Yeah Yeahs-Nummer darstellen, wo in/THE END mit Akustikgitarre als Karen OCrush beginnt, bevor sich die Nummer melancholisch über eine getragenen Bekömmlichkeit ausbreitet.

Allerdings können selbst diese Momente nie gänzlich das frustrierende Gefühl abschütteln, für diesen wahlweise weichspülenden oder wohlwollenden Evolutionsprozess mit angezogener Handbremse wüten zu müssen: Stets hofft man, dass Bender und ihre Mannen das Material irre über die Klippe schicken würde, den Wahnsinn herauslassen und brave, gute Nummern zu wirklich genial beißenden pushen würden. Es fehlt bi/MENTAL im Verlauf einfach die Brachilaität, die Urgewalt, die Gefährlichkeit, die Giftigkeit der Gitarren hinter reichhaltigen Arrangements, der attackierende Wille, sich gehen zu lassen. Hängen bleibt trotz einer theoretisch gesteigerten Catchyness und Paradesingles wie struggle/STRUGGLE deswegen auch (zu) wenig.
Schon paradox. Vielleicht braucht es aber auch nur einen anderen Produzenten als Jerry Harrison, um die Schnittmenge aus unangepasster Überwältigung und einer gewissen Massentauglichkeit zwingender zu artikulieren. Dann wäre das abrupte Ende von /BREATH vielleicht auch nicht das markanteste, weil unberechenbarste Element einer inhaltlich unteressant autobiographisch-bipolaren Platte geworden.

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