LINGUA IGNOTA – ABOVE US ONLY SKY

von am 21. März 2020 in Single

LINGUA IGNOTA – ABOVE US ONLY SKY

Covert Kristin Hayter mit ABOVE US ONLY SKY etwa wie einige prominentere Pop-Kollegen Imagine von John Lennon? Mitnichten – eher attackiert sie als LINGUA IGNOTA im Rework/Remix das unwürdig-trendige Social Media-Spektakel.

Wobei man es sich bei den aufgefahrenen 3 Minuten hinsichtlich der Interpretationssache kaum einfach machen kann. Vielmehr gibt es vor allem zwei Punkte, die es zu berücksichtigen gilt, um die Intentionen der Aufnahme eventuell „verstehen“ zu können. Es ist immerhin möglich, sich ABOVE US ONLY SKY aus unterschiedlichen Richtungen zu nähern, beide Perspektiven beanspruchen jedoch keine ultimativen Erkenntniswert für sich.
Zum Einen ist da nämlich der sicherlich eine Rolle spielende, rein pragmatische Ansatz: Hayter musste bereits unlängst um finanzielle Unterstützung von Seiten ihrer Fans bitten – eine Dental-OP hatte alle Ersparnisse gekostet, eine Bandscheiben-Behandlung steht dazu in wenigen Monaten am anderen Ende des Kontinentes an. Dass Bandcamp (über das ABOVE US ONLY SKY exklusiv digital vertrieben wird) zudem am 20.03.20 alle Einnahmen direkt an die Künstler weitergab, ist da auch von Relevanz – effektiver kann man Musiker, die von der aktuellen Corona-Pandemie im Tour-Alltag besonders hart getroffen wurden (und durch Platten wie CALIGULA oder Grave of a Dog ohnedies nicht reich geworden sind) kaum unterstützen.

Zum Anderen ist dann da der ideelle Beweggrund, keineswegs weniger als zweckgerichter Gebrauchsgegenstand dienend übrigens, der ABOVE US ONLY SKY als spontan entstandene Giftspritze und Statement inszenieren will, eventuell als radikales Kunstwerk; als Konfrontation mit der Erwartungshaltung an „Musik“ im Allgemeinen sowie dem unzähle Male zu Tode gecoverten Imagine im Speziellen; vor allem aber als sich auch selbst attackierende Persiflage und unangenehmes Experiment zwischen Theorie und Praxis, das sich nur zu gut bewusst ist, dass die Extreme nicht weiter als bis zu 4’33 verschoben werden können.
Hayter selbst dazu: „I made a parody harsh noise interpretation of the new Celebrities Sing Imagine To Lift Spirits video, which is already a parody of itself and which I could not actually watch or listen to all the way through. It is the best or worst thing I have ever made, it is on bandcamp, it is one dollar. there is Actual new music coming next week if this does not excite you.

Also: „To Lift Spirits and Inspire Hope“. Doch was gibt es zu hören? Den kurz gehauchten Gadot-Gesang der Zeile „Imagine there’s no heaven/ it’s easy if you try“, bereits verrauscht und im gepitchten Reverb ersaufend, eine kurze Ahnung von fragmentarischerer Schönheit, auf die sofort ein hemmungslos übersteuert-kreischendes, fiependes Noise- und Distortion-Sperrfeuer folgt, dass knapp zwei Minuten wie ein Kampf mit erkennbaren Mustern anmutet. Dann lebt niemand mehr sein Live in Peace, alles was bleibt, ist eine tinnitusförderde Nulllinie am Herzschlag, die penetrant fiepend arbeitet.
Lange Rede, kurzer Sinn: Man kann das polarisierende Quasi-Remix-Werk wohl mühelos als unmotiviert hingerotzten, mit pseudo-kreativen Rechtfertigungen substanzlos überhöhten Unsinn kategorisieren oder (gerade in hippen Szenekreisen) als herrlich garstig den Zeitgeist dekonstruierende Brutalität feiern – das Hayter das Stück jedoch ohne falsche Verklärung zynisch verortet, macht ABOVE US ONLY SKY jedoch zumindest ziemlich befriedigend ätzend.
Stimmen tun jedenfalls wohl beide Sichtweisen und keine, die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den Polen. Richtig dürfte aber so oder so sein, dass man selbst als Verehrer nicht oft zu dieser Single zurückkehren wird und die abschließende (mit Fanbrille und rein im Kontext seiner Entstehungsgeschichte getätigte) Wertung im Grunde sinnlos ist.

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