Lou Barlow – Brace the Wave

Nach dem Aus seiner Ehe ist der Sebadoh-Chef und Dinosaur Jr.-Bassist Lou Barlow zurück nach Massachusetts gezogen, hat sich dabei offenbar an Sentridoh erinnert und kurzerhand ein ähnlich reduziertes Kleinod von einer unscheinbaren Platte aufgenommen, deren spartanisches Klanggewand schonmal darüber hinwegtäuschen kann, was für ein erfahren-kluges Album ‚Brace the Wave‚ doch geworden ist.
Wie die meisten nachfolgenden Songs stützt sich das eröffnende ‚Redeemed‚ mehr oder minder alleine auf Barlows an der Hand nehmende Stimme, eine Akustikgitarre oder heruntergestimmte Ukulele. Betulich tastet sich der mittlerweile 49 Jährige entlang, immer wieder bremst er den nach vorne ziehen wollenden Song bedächtig ein, singt ohne Aufsehen zu fordern Zeilen wie „Memories are made of razorblades/ Even if they’re good“ und öffnet das minimalistische Geschehen des Openers hinten raus doch noch – in gewissen Maße. Das hymnische, es kommt das gesamte Album über immer wieder in Griffweite, dass hier alles auch im Rock landen hätte können manifestiert sich bisweilen als überdeutliche Ahnung.
Es ist nun aber auch gar nicht so, dass ‚Brace the Wave‚ in all ihrer entblößenden Grundhaltung eine rohe, rau-verrauschte LoFi-Angelegenheit wäre – dafür ist die Atmosphäre und Ausstrahlung dieser tröstenden Platte viel zu warm, zu rund und wohlig. Selbst, wenn man zu jedem Zeitpunkt vorbehaltlos glauben würde, dass die 9 Songs des ersten Soloalbums von Barlow seit 6 Jahren unter der Ägide von Justin Pizzoferrato nicht in ausführlich wirkenden 6 Studiotagen entstanden, sondern allesamt First Takes aus dem Schlafzimmer sind, in dem Barlow in zu knappen Sonic Youth Shirt und gar nicht zu knapper Gesichtsbehaarung die letzten Jahre und seine emotionalen Narben autobiographisch Revue passieren ließ, in Worte verpackt, die seine Geschichten immer auch für die Allgemeinheit tragfähig und berührend machen: „The story of my innocence is brief„.
Dabei entscheidet sich Barlow ganz bewusst dazu, seine relativ spontan entstandenen Kompositionen in einem frühen Entwicklungsstadion zu belassen – und damit genau genommen sicherlich auch nicht ihr volles Potential auszuformulieren-, sondern sie mit intimer Strahlekraft in spartanischer Umgebung gedeihen zu lassen, was allerdings stets mehr ist als nur puristische Attitüde.
Im gemütlich stampfenden ‚Nerve‚ fragt sich Barlow zwar „Whats from with wanting more?“ und faked mit knappen E-Gitarrenanschlägen und polternden Drums den Bandkontext, während es der grummelnde Bass im verhuscht-dramatischen ‚Moving‚ eilig hat, die Ukulele leicht neben der Spur liegt und irgendwann sogar spacige Synthieklänge in das Geschehen wehen, die später auch in ‚Boundaries‚ leise dröhnen. Das anonsten karg bleibende Instrumentarium, es transportiert hinter seiner Simplizität eine zeitlose Gültigkeit, bastelt intime und gefühlsnahe Miniaturen, vermittelt in Songs wie ‚Pulse‚ („It’s not a fight, it’s my body aging„) oder ‚Repeat‚ eine zarte, friedfertige Unmittelbarkeit, hofiert auf einfühlsame Art wahrscheinlich sogar seine optimistischsten Gedankengänge. Barlow sitzt mit nackter Verletzlichkeit am Lagerfeuer, während darüber die Dunkelheit leuchtet: „The moon is on fire“ zeichnet in ‚C+E‚ eines der schönsten Bilder um ‚Brace the Wave‚.
Barlows Stimme scheint nicht nur in ‚Wave‚ in durch den Raum zu schweben, durch die Hohheitsgebiete des folkigen Beck, man darf bedingterweise auch an Eddie Vedders Soloveröffentlichungen denken. Es ist genau diese Distanzlosigkeit zum Hörer, die vielen kleinen Gesten, die schlauen, bewegenden Zeilen, wegen der man das musikalisch bisweilen zu flüchtig mit ihren wunderschönen Melodien umgehende ‚Brace the Wave‚ immer wieder melancholisch hervorkramen wird, um sich aufs neue in die 31 Minuten zu verlieben und dennoch den Wunsch zu verspüren, dass Barlow in manchen Augenblicken all das vorhandene Potential doch etwas konkreter und greifbarer eingefangen hätte.
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