Mark Lanegan Band – No Bells On Sunday
Düsterbariton Mark Lanegan ist seit ein paar Monaten produktiv wie nie, daran ändert sich auch nach der ersten Werkschau vom Anfang des Jahres nichts. 5 Songs [veröffentlicht im limitierten Rahmen auf 1500 Vinylexemplare] geben deswegen schon vorab einen ersten Ausblick auf das im Herbst folgende neunte Studioalbum ‚Phantom Radio‚.
Inwiefern ‚No Bells on Sunday‚ tatsächlich ein akkurates Bild des Nachfolgers zu ‚Blues Funeral‚ zeichnet muss allerdings erst noch abgewartet werden, haben es die Ausreißer doch deswegen nicht auf die Platte geschafft, weil Lanegan sie im Vorfeld als ‚too goofy‚ kategorisierte. Dennoch davon darf orakelt werden, dass der bald 50 jährige den auf Solopfaden eingeschlagenen Weg zwischen allerhand Loops, Drumcomputern und der spät entdeckten Liebe zu Krautrock, Wavebands und den 80ern weiterschreiten wird.
Das nebulöse ‚Dry Iced‚ beginnt atmosphärisch, kippt schnell in eine knackig-pumpende, bouncende 4/4-Nummer, die die Tanzflächen nicht scheut, einen weiten Bogen um jede Ausgelassenheit oder Euphorie macht und Lanegans bärenstarker Stimme wie in Trance folgt, mit schiefen Minimal-Gitarren als Dekoration beinahe alles richtig macht, was ‚Ode to Sad Disco‚ 2012 noch misslang. Gerade auch, weil die Nummer angenehm karg inszeniert daherkommt, abseits des allzu repetitiv laufenden Beats jedwede Instrumentierung als Hintergrundausstattung mit schönem Depeche Mode-Vibe interpretiert.
Der folgende Titeltrack geht in die selbe Richtung, gelingt aber noch besser, weil die pluckernde, tröpfelnde Electronummer mit ihren weichen Melodiewellen aus dem Synthesizer und den fließenden Digi-Streichern eine dösende Dreampop-Stimmung einfängt. Lanegan driftet unaufgeregt und ätherisch – der Höhepunkt einer EP, die das vorgegebene Niveau nicht über die volle Distanz halten kann.
Das straighte ‚Sad Lovers‚? Ein Joy Division-vernarrter Postpunk-Song aus der Steckdose, der motiviert nach vorne geht ohne wirklich fiebrig oder getrieben wirken zu können, geschweige denn zuviel Tiefgang in der Planung zu haben.
Diesen versucht hingegen die aus dem Rahmen fallende melancholische Folkminiatur ‚Jonas Pap‚ zu evozieren: ohne Lanegans Stimme wäre die dezent abgedroschene Darbietung jedoch kaum der Rede wert, weil die cheesy auftragenden Streicherarrangements die Nummer beinahe zum Ausfall werden lassen – das hat der ehemalige Screaming Trees-Frontman einfach schon unzählige Male deutlich stärker hinbekommen.
Danach fällt ‚No Bells on Sunday‚ zum Abschluss noch einmal in die Gangart der ersten beiden Songs zurück: ‚Smokestack Magic‚ besitzt dunkel glimmernde Keyboardflächen, fiebrig-brodelnde Computer-Percussion, abgründigen Chöre und einen stimmlich weitschweifenden Lanegan, der sich vor verzerrten Blade Runner-Gitarren in einen Rausch transzendiert. Sicher kann man dem Closer stellvertretend für das gesamte Kurzfomat (oder sogar der elektronisch-wavigen Gangart Lanegans generell) der Vorwurf machen dass die Komposition mit zu monoton programmierten Drums allzu lang ausgefallen ist, aber wieder einmal gilt: dieses Ausnahmeorgan trägt über beinahe jede Schwachstelle. Dazu fügt sich das Songwriting Lanegans ohnedies immer organischer und selbstverständlicher um das Bariton des Amerikaners. Besser sogar noch: wenn diese 27 Minuten Ausschussware darstellen sollen, dann besteht die gar nicht so geringe Chance, dass Lanegan ‚Blues Funeral‚ demnächst toppen wird.
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