Mike Shinoda – Post Traumatic

von am 24. Juni 2018 in Album

Mike Shinoda – Post Traumatic

Die (nunmehr vollkommen obsolet erscheinende) EP Post Traumatic war also nur ein Vorspann-Spoiler: Mike Shinoda verarbeitet den Tod von Linkin Park-Sänger Chester Bennington auf seinem gleichnamigen Solodebüt noch ausführlicher, findet aber auf Albumlänge mit sanften Pop/Rap-Songs auch das Licht am Ende des Tunnels.

Die drei Songs des vorausgeschickten Kurzformates entließen ja durchaus ambivalent. Mit einem Hang zur wenig intensiven Beiläufigkeit und lyrischen Direktheit wussten (die nun auch das Studioalbum eröffnenden Songs) Place to Start, Over Again sowie Watching As I Fall im Midtempo-Spannungsfeld aus melancholischem Hip Hop und elektronischem Pop in den Ausläufen von One More Light an sich durchaus zu überzeugen, ließen aber auch keinen Zweifel daran, dass Mike Shinoda in Sachen Trauerarbeit erst an der Oberfläche zu kratzen begonnen hatte, indem die EP zu abrupt in der Luft hängen lassend ohne runden Spannungsbogen verschiedete.
Insofern tut Shinoda nun gut daran, die Anfang des Jahres aufgetanen Fäden weiterzuspinnen und den Langspieler auf der etablierten Grundlage ausführlicher reflektierend auszubreiten. Dennoch ist Post Traumatic leider nicht das Album geworden, auf das man angesichts des Vorboten gehofft hatte.

Das liegt zuallererst daran, dass die Platte mit 16 Songs über 53 Songs viel zu lange ausgefallen ist, zumal Shinoda im Verlauf des Albums schlichtweg nicht für die nötigen markanten Konturen zu sorgen bereit ist. Zwar wächst die Platte nach ihrer bedrückten Anfangsphase bald aus der Depression, fächert sich phasenweise auch mit reflektierenden Blick nach vorne auf und fügt etwa im gitarrenunterstützten Running From My Shadow mit ruhig pluckernder Hand und gefühlvollem Rhythmus eine subtil-rocklastigere Prägung in das triphoppig-sanfte Understatement.
Doch verliert sich Post Traumatic dennoch alsbald in einem wenig markanten Einerlei, plätschert relativ höhepunktlos entlang introspektiver, aber emotional wenig charakterstarker Momente durch eine musikalisch paradoxerweise als komfortable Wohlfühlzone durchgehende Gefälligkeit. Diese wäre ohne aufwühlende Tiefenwirkung auf berieselnde Weise beinahe angenehm nebenbei zu hören , würde die latente Harmlosigkeit im unbedingten Willen niemandem wehtun zu wollen, nicht irgendwann schlichtweg ermüden.
So verbunden einen die weiche Platte deswegen auch umsorgen mag: Selbst den interessantesten und eingängigsten Ideen fehlt letztendlich das zwingende Momentum, um eine befriedigend auslotende Vollendung im Songwriting zu erzeugen.

Gravierende Ausfälle müssen im so gleichförmigen wie homogenen Fluss deswegen auch kaum auszumachen sein, um am Stück gehört spätestens im letzten Drittel dennoch auf nebensächlichen Durchzug zu schalten. Einzig das schwache Hold it Together wirkt in der Schere aus bedrückend gemeinten Inhalt und einer geradezu leichtgängig-weichgespülten Mainstream-Form geradezu billig, während sich das trappige I.O.U. mit dem nervig-überdrehten Refrain keinen Gefallen tut. Mediokre Phasen wie Ghosts riskieren dagegen zwar ausnahmsweise den Übertritt zu cheesy wirkender Text-Theatralik, doch bleibt die verzichtbare Nummer wie zu viele seiner Songkollegen ecken- und kantenlos ohne tatsächlich zu stören.
Im Umkehrschluss wiegen auch die gelungensten Momente nur bedingt nachhaltig, wenn die nachdenkliche Stimmung auf individuellere Art aus der austauschbaren Beliebigkeit gelöst wird. Etwa im beatbefreiten Ambiente von Nothing Makes Sense Anymore, im mit Vocoder an R&B-Muster angelehnten Elekro-Pop About You, dem atmosphärischen Brooding oder vor allem im wunderbar ätherischen Lift Of, das primär von Chino Moreno lebt, der übrigens (im Gegensatz zu Machine Gun Kelly, Blackbear, Grandson oder K.Flay) das einzig erinnerungswürdige Feature liefert: Ausnahmsweise scheint sich Shinoda unter der Mithilfe der Deftones-Stimme seinem Schwerz hinzugeben und sich subversiv-aufwühlend in ihn zu legen, anstatt die sich selbst schonende Katharsis mit Samthandschuhen zu hinfortstreicheln.
Genau so aber funktioniert diese Therapiesitzung ansonsten über weite Strecken. Genau deswegen entlässt Post Traumatic auf Albumlänge mit einem ähnlich unbefriedigenden, kaum erschöpfenden Gefühl, wie es bereits die einleitende EP tat.

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