Moses Sumney – Black in Deep Red, 2014
Der minimalistische Elektro-Soul-Sänger Moses Sumney bäumt sich wenige Monate nach dem betörenden [amazon_link id=“B073VBD36Z“ target=“_blank“ ]Aromanticism[/amazon_link] auf: Black in Deep Red, 2014 – inspiriert von einer Protestkundgebung rund um Proteste in Ferguson, benannt nach einem Mark Rothko-Gemälde – probt den ungemütlichen sozialpolitischen Widerstand.
Die knapp 10 Minuten der Platte entfernten sich dafür durchaus vom betörend kontemplativen Zustand von Moses Sumneys wunderbaren Debütalbum, wie der 28 Jährige alleine aufgrund der Entstehungsgeschichte der drei Songs erinnert.
„Black in Deep Red, 2014 was ignited by the first and last time I attended a protest. It was in the fall of 2014, after a grand jury decided not to charge the offending officer in the Mike Brown murder, delivering the verdict just in time for them to get home for Thanksgiving. I felt like a camouflaged outsider at the protest, like an anthropologist performing a study amongst his own kind. I took to the mountains soon after that and wrote these songs, wondering if power was a transferable device that could change hands through the vocalizing of unrest.”
Das eröffnende Power? sampelt deswegen gleich einen wütend klatschenden Call and Response-Protest-Chant „The people are power/ Power to the people“. Elektronisch verfremdet rumort es unterschwellig dröhnend als wäre ein Roboter bei der Kundgebung anwesend und würde sich in die Skandierungen einklinken. Sumney legt so die Weichen stimmungsvoll für die grundlegende Atmosphäre der Platte. Doch bleibt der Opener Mittel zum Zweck und abseits davon letztendlich ein wenig essentiell oder besonders inspiriert verglühendes Intro, das sich nicht substantiell entwickelt oder für sich selbst stehen könnte.
Stattdessen übernimmt mit dem grandiosen Call-to-Arms ein zu Beginn noch gefühlvolles Geplänkel, das an sich typisch Sumney ist. Allerdings bekommt der Song durch eine rhythmisch pulsierende Verspieltheit einen originären Vibe innerhalb seiner bisherigen Discografie, wenn die Gitarren zwar weiterhin wie bei Radiohead fließen, drumherum aber eine Annäherung an den Space-Kaleidoskop von Thundercat stattfindet. Immer mehr nimmt das Herzstück der EP an Fahrt auf und entwickelt einen traumwandelnden Drive, ohne wirklich ein Ziel zu fixieren. Auch durch die auf Lautmalerei zurückgreifenden, primär ausschmückenden Vocal-Übungen ist Call-to-Arms eher ein dicht gestrickter Jam, der in einem saxofonelastigen Freejazz-Exzess aufgeht, samt energischen „Hey„-Schlachtrufen im Hintergrund, die das minimalistische Klangbild martialisch übermalen.
Ein wenig konkreter wird letztendlich das abschließende Rank & File: Ein schnipsender, sinister beschwörender Blues aus der Steckdose, der klingt, wie Zeal & Ardor ohne Black Metal-Überbau, aber mit Massive Attack im Hinterkopf. Wieder setzt Sumney auf das Call and Response-Stilmittel, um eine verführerische Gospel-Abgründigkeit zu erzeugen, unterkühlt und dennoch fiebrig.
Black in Deep Red, 2014 schickt sich derart ausgelegt durchaus faszinierend an, ein neues Kapitel für Sumney zu öffnen, das ihn von der schmeichelnden Romantik von Aromanticism zu einer aufrührerischen Nachdrücklichkeit führt, die die Hände nicht nur zum streicheln benützt, sondern auch zur Faust formen kann.
Reduziert auf den Kontext einer knappen EP wollen die zweieinhalb Songs als durchaus homogen ineinandergreifendes Werk allerdings nur bedingt funktionieren und entlassen um die Nuance zu unbefriedigt. Der Hörer wird zwar nicht zum „camouflaged outsider“ degradiert, allerdings entsteht der Eindruck, nur einen minimalen Teilbereich einer hungrigen Kundgebung zu erhaschen. War das tatsächlich schon alles?
Black in Deep Red, 2014 wirkt damit eher wie der ausführliche Trailer zu einem (potentiell fantastischen) Album, der über zwei Stücke Dynamiken aufbaut, die im dritten nicht restlos aufgelöst werden, sondern dort ohne unbedingte Epiphanie kurzerhand verabschiedet werden. Das Kurzformat ist schlichtweg um zumindest einen Song zu knapp ausgefallen, um den Spannungsbogen kohärent abzurunden. Insofern hätte es sich für Sumney durchaus ausgezahlt, seine Erfahrungen bei der Protestkundgebung erschöpfender zu verarbeiten – man wäre ihm aufgrund der hier angedeuteten Klasse dieser Ausrichtung ohnedies nur zu gerne ausgiebiger gefolgt.
Eventuell wird dieses relativen Makel ja der hiernach (sowie der berits so starken Interims-Single Make Out in My Car: Chameleon Suite) nur umso sehnlicher (und auch neugieriger) herbeigesehnte reguläre Nachfolger zu Aromanticism korrigieren.
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