Off! – Free LSD

von am 28. Oktober 2022 in Album

Off! – Free LSD

Das in vier Viertel sequenzierte Free LSD schließt als erstes Album von Off! seit acht Jahren formhalber in gewisser Weise den Kreis zu First Four EPs, will mehr noch aber vielleicht sogar das bewusstseinserweiterte Opus Magnum der Gang sein.

Dass das Comeback von Off! nach fast einer Dekade (sofern man die Aufwärmübung für Metallica im vergangenen Jahr außer Acht lässt) mit knapp 41 Minuten Spielzeit erstaunlich ausführlich ausgefallen ist, liegt gefühlt weniger an der langen Auszeit der Band, in der sich eben viel Material angesammelt hätte, sondern eher an den personellen Neuerungen: der mit 67 Jahren immer noch motivierte (und zwar nicht seinem Alter entsprechend, aber eben doch weniger intensiv agierende) Keith Morris und sein (sich hier in Hochform ohne Unterlass liefernder,) kongenialer Gitarrenstichwortgeber Dimitri Coats haben Autry Fulbright II (…And You Will Know Us By The Trail of Dead) sowie Jazz-Drummer Justin Brown (u.a. Thundercat oder Herbie Hancock) anstelle der ausgestiegenen (?) McDonald und Rubalcaba abgeworben – was als Frischzellenkur wie ein Katalysator für den Hardcore Punk der Band wirkt.

Alleine die Performance des Schlagzeugs ist absolut furios, zieht mit seinem lebendigen Wirbel auch die kaum zu stoppenden Saitenfraktion hungrig mit, und resultiert angesichts des Backgrounds von Brown auch in vier Interludes, die man so nicht von Off! erwartet hätte: F, L, S und D sind jazzige Avantgarde-Noise-Jam Strudel und hirnwütige kleine Saxofon-Fiebertraum-Skizzen, die aber letztendlich gerne mehr als ästhetische Bindemittel in dem generell wie eine einzige atemlose Session verbundenen Free LSD hätten sein können.
Zwischen diesen Ausblicken bringen Off! Ihre sozialpolitischen Zündstoff schnell auf Betriebstemperatur, eilen in oft ineinanderfließenden, immer aber ziemlich nahtlosen Überhängen energiegeladen, roh und vollgestopft mit Ideen und Spielwut durch einen Trip, der einen kathartischen Sog entwickelt.
Zwar fehlen die einen oder anderen wirklich unbedingt herausragenden, haltlos begeisternden Szenen, vielleicht sogar das eine oder andere ikonische Momentum, um das vorhandene Potential von Free LSD wirklich erschöpfend auszuloten, doch sind hier im ausfallfreien Ganzen so viele bockstarke Züge.

Time Will Come wechselt etwas seine starken Riffs und manischen Leads im innigen Tempo, die Texturen pfeifen fast psychedelisch nervös  auf dem Trip, War Above Los Angeles skandiert Hooks im hyperventilierenden Geschwindigkeitswechsel. Invisible Empire flimmert heroisch und aggressiv als Abenteuer, Ignored hämmert ordentlich Spannungen auf und kurbelt dann mit ausgelassener, wie zwingend die Gitarre und Drums in Black Widow Group einander in die Dringlichkeit schrauben und dann wieder zurücklehnen ist einfach klasse. Murder Corporation bäumt sich metallisch auf und schlenzt die Griffigkeit aus der shakenden Hüfte und Behind the Shifts ist beinahe ein in die Schikane gelegter Hit.
Dass gerade hinten raus vieles pragmatischer – soll heißen: näher am angestammten Kompetenzbereich der Band – abgehandelt wird, als es aufgrund der genrefremden Tendenzen und instrumentalen Künste nötig scheint, lässt Free LSD dann gelegentlich genügsam und regelrecht selbstlimitierend wirken. Doch ganz im Ernst: etwas besseres als diese (unerwartete) Rückkehr ist im klassischen Hardcore Punk-Sequent 2022 kaum erscheinen.

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