Poppy – A Very Poppy Christmas

Die nunmehr gar Grammy-nominierte Moriah Rose Pereira kommt (freilich nur im übertragenen Sinne) 2020 ohnedies nicht aus dem Feiern raus, was spricht also gegen (das seit rund zwei Jahren angeteaserte) A Very Poppy Christmas?
Seit dem irrwitzigen metallisch-poppigen Spagat I Disagree geniest Poppy in den vergangenen Monaten merklich die Freiheiten, endgültig tun und lassen zu können, was sie möchte. Auf gepimpte Albumversionen, Noise-Exkursionen und Cover-Smasher aus der Frühphase dieses Jahrhunderts folgt nun also ein knapp zehnminütiges Intermezzo für die stille Zeit des Jahres – welches Poppy dann auch entsprechend zurückgenommen begeht: Ghostemane, Simon Wilcox und Zakk Cervini sind zwar als Kollaborateure gelistet, die drei Originale und ein Coversong sind aber so inszeniert, dass sie auch als spontan in Eigenregie aus der Hüfte geschneiter Reigen durchgehen würden.
I Like Presents braucht also nicht mehr als eine reduzierte Akustikgitarre im gefakten Lo-Fi-Sound für mehr Intimität, eine bittersüße Atmosphäre und unaufdringliches Gefühl, dazu ein gänzlich unironisches Baden in der Romantik: „I like presents, yes, indeed/ But you’re the only thing I need/ Call it selfish, call it greed/ All of you for all of me“ – durchaus exemplarisch für das Wesen des Kurzformates im allgemeinen.
Das gewährleistet einen durchaus authentischen, schön weichen und nahbaren Einstieg in eine auch in weiterer Folge ohne Exzesse, Bombast und Spektakel auskommenden EP.
I Won’t Be Home For Christmas lehnt sich an Stille Nacht an, ein Synthie imitiert das Vibraphone, der Refrain bekommt etwas Drive durch den Korpus einer Snare – vor allem aber sitzt die nette Melodie einfach wohlig. Zwar hätte die Nummer mit ein wenig mehr Produktionsbrimborium auch locker zum Hit aufpoliert werden können – dass sich Poppy jedoch für ein gewisses Understatement entschieden hat, ist angenehm und sympathisch. Und ja, sicher auch kitschig. Aber es funktioniert eben und zeigt eine Perspektive auf die Musikerin, die entweder wirklich abseits der überhöhten Kunstfigur erdet – oder dies einfach nur effektiv vorgaukelt.
Nur Kiss In The Snow wirkt mit zurückgenommener Gitarre, austauschbarem Beat aus der Dose und verschenktem Klavier noch mehr wie die Demo eines typischen Poppy-Songs, ist eingängig und gefällig, aber auch sofort wieder vergessen, bevor eine wenig inspirierte, aber stimmige Interpretation von Silver Bells nur wenige Saiten für den verträumten Bedroom Pop benötigt, wohingegen die Stimme der Kalifornierin in quietschender Intonation nerven kann.
Dennoch bekommt Poppy locker die Kurve: A Very Poppy Christmas ist ein niedliches Kleinod; alos nichts, was außerhalb des Erfolgslaufes dieses Jahrganges für Aufmerksamkeit gesorgt hätte, was man so aber selektiv ansatzlos auf dem einen oder anderen Christmas-Sampler unterbringt.
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