Richard Ashcroft – Lovin‘ You
Um gleich eingangs eine Lanze zu brechen: Natural Rebel war 2018 – schon wegen We All Bleed – nicht die derartige Vollkatastrophe, zu der die Platte vor allem rückblickend allerorts gestempelt wird. Der Nachfolger Lovin‘ You ist nun aber im Umkehrschluss auch nicht die vielerorts prolongierte Qualitätssteigerung.
Dafür sind alleine die Texte auf Richard Ashcrofts (sofern man Acoustic Hymns Vol 1 regulär zählt) siebten Soloalbum einfach zu bemerkbar banal ausgefallen (ein Blick auf die Titel der Trackliste kann da schon vorwarnen!), derweil alle Songs zu lange dauern.
Vor allem ist Lovin‘ You im Ganzen jedoch zu unausgegoren geraten und wirkt ohne klare Linie wie ein Sammelsurium aus Nummern, die so besser auf (zumindest zwei) stilistisch unterschiedlichen Kurzformaten aufgehoben gewesen wären.
Zum einen sind da nämlich jene Tracks, auf denen der ehemalige The Verve-Vorstand seine Liebe zu Dance Music mit externen Writer-Credits und Emre Ramazanoglu als Produzent in der Vordergrund stellt: Lover macht mit Beat und Bassline dreieinhalb repetitive Minuten den Chill Out-Remix, derweil Lovin‘ You wie eine mit pompösen Streichern und Bläsern wie aus einem heroischen Boxerfilm eine Art Big Beat-Erinnerung an Loneley Souls darstellt.
Das sind sind zwar die relativen Schwachstellen von Lovin‘ You – in dieser Ausrichtung aber keine solchen Ausfälle, wie es die Mirwais-Kooperation I’m a Rebel als uninspiriertes Daft Punk– und Nile Rodger-Imitat mit Kopfstimme als ebenso grottige wie langweiligige Vorabsingle angedroht hat.
Deutlich besser – wenngleich nicht so gut, damit das Material auf künftigen Oasis-Gigs ebenfalls shazamed werden wird – sind allerdings zum anderen jene Stücke, die Ashcroft exakt entlang der Komfortzonen-Erwartung mit seinem angestammten Helfer Chris Potter aufgenommen hat: unspektakulär solide Nummern an der balladesken Seite des Spektrums, die ohne die billige Triumphgeste eigentlich recht stimmig zum grundlegend freilich ziemlich schrecklichen Albumartwork passen würden.
Ashcroft lehnt sich dort zurück, entspannt sich in Out of the Blues so typisch wie unspektakulär schön und relaxt im sentimental dahinplätschernden Oh L’amour derart harmlos, dass die Gefälligkeit schon ein bisschen anstrengend werden kann. Find Another Reason blüht aus der Einsamkeit in einem zum Himmel steigenden Happy End auf, läuft danach aber symptomatisch noch ein paar leere Meter weiter. Live with Hope flirtet mit Americana-Tendenzen und einem dezenten Soul-Background und Crimson Fire ist gemütlich funkelnd auf einen monoton rollenden, aber an der Stange haltenden Rhythmus gebaut, bevor Fly to the Sun als Quasi-Alleingang (weil Steve Wyreman wie nahezu überall hier die Acoustic Gitarre spielt) ein rundum gelungenes Farewell darstellt.
Hätte sich Ashcroft stärker auf diese Seite von Lovin‘ You konzentriert, wären auch Ausbrüche wie der okaye Alibi-Rocker Heavy News (der sich fuzzy und kraftvoller angelegt mit seinen trivialen Schüttelreimen selbst sehr cool vorkommt, aber eigentlich ziemlich altbacken posiert) durch ein rundes Ganzes besser aufgefangen worden.
So werden höchstens die Amplituden der Platte offenkundiger, in Summe nicht aber wirklich markante qualitative Niveauunterschiede zu Natural Rebel.


Kommentieren