Say Anything – …Is Committed

von am 25. Juni 2024 in Album

Say Anything – …Is Committed

Seit Is a Real Boy vor sage und schreibe zwei Dekaden für Furore sorgte, sind von den Ergüssen des Max Bemis mit Say Anything subjektiv betrachtet vor allem die geschmackloseren Untiefen hängen geblieben. Auch …Is Committed wird sich in diese Tradition einreihen.

Dass Bemis fünf Jahre nach dem den Kreis zu seinem Durchbruchsalbum schließenden Vorgängerwerk und eigentlich als Schwanengesang von Say Anything konzipierten Oliver Appropriate an sich durchaus vor Energie und Übermut strotzende Songs geschrieben hat, die sich mit einem Händchen für schmissige Eingängigkeit mit stilistischer Narrenfreiheit unweit des poppigen Emo Rock von My Chemical Romance als überladene Clusterfuck-Collagen positionieren, und musikalisch gerade in der tollen Eingansphase überrascht ansatzlos überzeugen, daran wird man sich nicht in erster Linie erinnern, wenn man an …Is Committed denkt.

Sondern vor allem an die groteske den Vorschlaghammer auspackende Edgelord-Trackliste, der die fast absurd schlechten Texte der Platte praktisch in nichts nachstehen, wenn sich das gefühlt drölfzigste „Cum“ mit dem penetranten Gebrauch sinnloser popkultureller Referenzen und enervierendem Sherri DuPree-Worshipping abwechselt.
For there are two gods/ The vulva moon we witches knew/ And Goliath who birthed you all in piss/ Trust me, you’re no atheist“ heißt es dann. Oder: „Darren King/ Google him (-im)“. Oder: „Mom’s carcass turns my heart to kindling/ Whole life futile, fucking chopping/ Blindly at wood: cock, nose, and coffin/ Rightfully no dysphoric option/ For emo Tom Hardy and his soulful droppings/ Equestrian rehab, called Vertava/ Israel called me up, said, „Ha ha! You’re the homeless schizo on the street whoYells out, ‚I’m an ally! Look at me!‘„. Oder: „I’m Brandon Boyd’ing out in this son of a bitch!
Und dann handeln Texte offenbar auch noch über Vorwürfe an Bemis hinsichtlich sexuellen Missbrauchs oder wie man ihm und Gattin Sherri DuPree die Kinder wegzunehmen versucht. Immer Over the Top, ständig die verweisende Brechstange auspackend. Schlau werden muss man daraus wirklich nicht. Emotional berührt noch weniger. …Is Committed funktioniert nämlich (zumindest für einen Hörer, der nicht zur Familie Bemis gehrt) eher wie ein Kuriositätenkabinett oder als Selbstpersiflage, das auf eine ähnliche Weise unterhaltsam ist wie ein Best of the Worst-Filmabend.

Das würde zwar locker immer noch für zumindest 5 Punkte in der abschließenden Bewertung reichen (wobei man, um es explizit zu erwähnen, als loyaler Fan der Band ohnedies mehr als glücklich mit diesem Comeback werden sollte!), doch halten sich abseits davon auch weitere Kritikpunkte, nicht nur im Hinterkopf. Dass der diffuse Mix der Platte in seiner Wahllosigkeit oft (wie etwa gerade in On Cum) einfach  unangenehm zu hören ist; dass durch Elektronik-R&B-Skizzen mit Rap- und Vocoder-Tourette-Attacken wie in We Say Grace in This Goddamn Band, Mister oder Are You (In) There? auch nervende Ausfälle im Gefüge zu ertragen sind; oder, dass das fast 20 minütige Nonsens-Finale der Platte mit dem im im Hall ersaufenden Acoustik-Mäandern Woman’s Song im prätentiös schniefenden Weinen bar jeglicher Authentizität daherkommt, sich mit seinem eingespielten Meta-Gespräch am Ende (Marke: gutmütige Beschwichtigung eines armen Irren in der auseinander klaffenden Schere aus kreativer Ambition und Umsetzung als ironisch gemeinter Witz, der alleine auf Kosten der eigenen Kunst geht) kaum auszuhalten lässt, und nach einem fassungslos machenden Demo-Durchgang eigentlich unhörbar wird – bevor in Fan Fiction ein toller progressiver Song stecken könnte, stattdessen aber weit über der Toleranzgrenze frustriert. Und die damit auf über 60 Minuten Spielzeit gewachsene Laufzeit so vor allem zu einer anstrengenden Überdosis Bemis macht (wo sich hierraus ein wirklich tolles Album destillieren hätte lassen, wenn Bemis die Texte jemand anderem überlassen hätte).

Lange Rede, kurzer Sinn: Um zu verstehen, wie …Is Committed im Ganzen tickt, muss man eigentlich nur ein Zitat von Bemis zu einem der verzweifelt nach Aufmerksamkeit schreienden neuen Songs verinnerlichen: „What is the cliche of Say Anything?” Even “Alive With the Glory of Love” isn’t just a Holocaust love song – it’s also about fucking on a balcony while the Nazi’s watch.“ Alles klar: das neunte Album des Projekts ist mehr als alle seine Vorgänger einfach eine verdammt polarisierende Hate it or love it-Angelegenheit.

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