Slipknot – The End, So Far
Dass Corey Taylor The End, So Far als „heavier version of Vol. 3: The Subliminal Verses“ ankündigte ist natürlich Schwachsinn – wahlweise ist es eher eine weitaus bessere Alternative zum Diskografie-Schwachpunkt All Hope is Gone oder die über den vorab geschürten Erwartungen liegende Fortsetzung von We Are Not Your Kind.
So oder so funktioniert das siebente Studioalbum der Kombo aus Iowa (nach einem ernüchternden Ersteindruck, der jedoch schnell an Wohlwollen gewinnt) wirklich erstaunlich gut.
Obwohl – oder gerade weil – die wenig Euphorie entfachenden Vorabsingles The Dying Song (Time To Sing) – eine typische, gelungene Symbiose aus catchy erheben wollenden melodischen Segmenten und stimmungsmachend kloppender Härte – sowie The Chapeltown Rag – das immer noch die selben Probleme hat, wie auf sich alleine gestellt, im Kontext der Platte aber dennoch gewinnt – zwar vorweggenommen haben, welche Schwankungsbreite die Band mit der Verträglichkeit und Übersättigung ihrer cleanen Refrains hat – was so übrigens auch Hivemind (das eifrig aufs Gaspedal tritt, tackernd galoppierend auf die Blechteile eindreschendem jedoch einen viel zu pathetischen Chorus verfällt – hinten raus mit genügend Ausstrahlung jedoch das beste aus dem Umständen macht) oder Heirloom (das mit der Kraft der Percussion zu einem catchy rockenden Stone Sour-Segment stampft, das leider in eine zu gefällige Richtung abbiegt) bestätigen.
Warum The End, So Far trotz dieser offenkundigen Achillesferse also mit ein wenig Abstand doch die Kurve bekommt? Weil die grundlegende Balance der Platte in Summe einfach gelungen ist.
Zum ersten ist es ein ebenso waghalsiger wie smarter Move, die relativ kurzweiligen 58 Minuten des Albums in eine unorthodoxe Klammer wie Adderall und Finale zu betten, die mit radikalen Weichzeichner einen extremen Belastungtest für Maggot-Puristen darstellen: Der melancholisch-kontemplative Opener gibt sich poppig entschleunigt schunkelnd, ein unaufgeregter Rhythmus und konstanter Basslauf folgen einem Klavier und einer Ästhetik, die spätestens dann an den Freigeist der Queens of the Stone Age gemahnt, wenn der Ohrwurm-Refrain choral erhebend in der Mehrstimmigkeit einer bittersüß-sehnsüchtigen Nostalgie aufgeht, deren friedliche Contenance niemandem etwas beweisen muß – bevor der Closer eben dort den Bogen mit starker Hook, Streichern und einem Chor schließt, den Kitsch gekonnt als weiche Gefühlsseligkeit interpretierend.
Wo man sich zwar erst nicht sicher sein kann, es in diesen beiden Fällen überhaupt tatsächlich mit Produkten der Marke Slipknot zu tun zu haben, und die Band schon auch strategisch damit kalkuliert, mit diesen WTF-Momenten aufmerksamkeitsfördernd im Überrschungsmoment zu überrumpeln, gibt die Wirkung und Substanz dem Nonett recht: das sind einfach verdammt gute, rundum überzeugende Songs, die quasi eine Wohlfühlzone abseits des angestammten Komfortbereichs zelebrieren.
Zum zweiten sind da zudem immer noch genug hart zupackende Trademark-Brocken, die spätestens live furios zünden werden – wie etwa Warranty, ein aggressives Ventil, das sich bis auf die hymnischer angelegte Bridge die Kompromissbereitschaft verkneift; H377, das mit eiliger Miene als bulliger Aggressor samt Gang-Attitüde in verschwitzte Pits hechtet; und natürlich vor allem das tolle De Sade, in dem das Licht und die Geschwindigkeit erst dämpft wird, um sich heroisch aufzubäumen, und streichelt, um ab der Hälfte gniedelnd und solierend hakend abzudrehen.
Und zum dritten – als Summe der vorherigen Punkte – ergibt sich in Kombination mit Nummern wie dem düster atmosphärisch gedrosselten Yen, das den Alternative Metal mit zusammengebissenen Zähnen und flehender Geste inszeniert, Medicine for the Dead (dessen im mathigen Midtempo gebremstes Ambiente seinen Refrain mit latenter Psychedelik die Abwärtsspirale hinunter in die Dunkelheit pendeln lässt, diesen letztendlich aber zu freigiebig repariert) und Acidic (croonend fleht man gen Konsorten wie Alice In Chains, halluzinogener windend) ein feiner Albumfluß, der durch einige Outros und Intros verwoben zusätzlich stimmig verbunden ist, und The End, So Far – ohne Ausnahmesong oder Ausfall, aber mit einer über allem Erwartungen zwingend abliefernden Performance, die die Kernkompetenzen ebenso bedient, wie sie zu gemütlichen Baukasten-Gewohnheiten phasenweise vor den Kopf stoßen kann – damit in Summe sogar zu einem schlüssigeres Werk als das die Formkurve offenbar konstant nach oben korrigiert habenden We Are Not Your Kind macht. Die nächsten Livetermine können hiermit jedenfalls gar nicht früh genug kommen.
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