The Flaming Lips – Oczy Mlody

von am 19. Januar 2017 in Album

The Flaming Lips – Oczy Mlody

Wayne Coyne, Michael Ivans, Steven Drozd und Co. bleiben dem elektronischen Krautrock treu, der sich seit dem Paradigmenwechsel Embryonic über die Flaming Lips gestülpt hat, öffnen auf Oczy Mlody – „eyes of the young“ – aber unterschwellig wieder lieblichere Räume für friedliche Melodien. Miley Cyrus sei Dank.

Oczy Mlody schlägt also (erst recht durch den medienwirksamen Rausschmiß von Percussionist Kliph Scurlock, dessen kaum merkliches Fehlen im Gesamtsound auffallend durch allerhand dösende Effekte kompensiert wurde) in die Kerbe, die nach Embryonic auch The Terror und all die Veröffentlichungen außerhalb des regulären Albenkanons (ala The Flaming Lips and Heady Fwends, With a Little Help from My Fwends oder Peace Sword) beackerten – psychedelische Klanggebilde aus verschwurbelten Synthies, zuckenden Beats und entspannt auf dem Trip hyperventilierenden Hypnoseschleifen vor verträumt experimentierenden Ambientaufbauten also, wie man das seit mittlerweile auch schon wieder beinahe zehn Jahren aus dem Flaming Lips-Haushalt erwartet – erinnert sich in seiner halluzinierenden Gangart aber gar bis an die bezaubernde [amazon_link id=“B000068PQ0″ target=“_blank“ ]Yoshimi[/amazon_link] und ihren Kampf gegen fiese Roboter zurück: Der sanftmütig pulsierende, zärtlich plätschernd eröffnende Titelsong könnte gar direkt von Approaching Pavonis Mons by Balloon (Utopia Planitia) übernehmen – auch wenn die Gitarren und jubilierenden Fanfaren mittlerweile einem mehr an LSD, Keyboardbruzeln und Acid gewichen sind.

Der Beginn einer Reise in ein fantastisch-kunterbuntes Traumland, dessen zwölf Songs im Gegensatz zu dem chaotischen Wahnsinn von The Terror eine ruhigere, geschlossene Einheit bilden, deswegen auch gerne fließend ineinander übergehen und erst mit einiger Kennenlernzeit erschließen, dass all die demonstrative Weirdness hier auf einem eigentlich zugänglicheren, nun ja, Songwriting ausgebreitet wurden. Die  abstrakten Schemen dieser Odyssee verschwimmen nach und nach vollends vor dem inneren Auge und Wayne Coynes Bande gaukelt mit verzaubernden Hintergründigkeit gar effektiv vor, mitten hinein in eine rauschhafte Dream Pop-Platte gezogen zu haben, vereinen jedes Puzzleteil unter einem sphärischen Soundbild.
Das ätherische How?? etwa klingt wie eine entschleunigte Rückschau auf vergangene Ohrwürmer durch einen verwirrenden Nebel, der die zauberhaften Melodien und Hooks nicht auf den ersten Blick erkennen lässt. Seine fünf Singles (etwa die mit flüchtig perlenden Gitarren (eine Seltenheit auf Oczy Mlody!), Drumcomputer und flirrenden Synthies ausgeschmückte Opium-Schönheit The Castle oder die mit R&B-Beat pochende, dann massiv wummernde, verschroben groovende Flickwerk-Nachdenklichkeit Nigdy Nie (Never No)) hat das vierzehnte Studioalbum der Flaming Lips dennoch nicht umsonst vorausgeschickt – sie holen an Bord und söhnen verführerisch aus, kaschieren dabei aber niemals auch Teil eines größeren Ganzen zu sein, erst im Kontext wirklich aufzugehen.

Oczy Mlody assimiliert jeden Meter seiner konzeptionellen, pluckernden Reise – selbst das bereits von Miley Cyrus & Her Dead Petz bekannte Sunrise (Eyes of the Young) fügt sich in der Flaming Lips-Version nahtlos in den kaleidoskopartigen Reigen. Stichwort Miley Cyrus: Deren Präsenz manifestiert sich zwar erst im finalen We a Famly (einem erhaben aufmachenden Harmoniegefühl mit galant hallendem Chorus), dass die auch als Backingband agierenden Flaming Lips in dem ehemaligen Disney-Star eine Seelenverwandte gefunden zu haben scheinen, deren kreative Interaktion sich nun gegenseitig befruchtend auswirkt, ist aber über die gesamte Spielzeit und die darin integrierte Freude an einer wiedergefundenen relativen Melodieseligkeit und Zugänglichkeit erkennbar.
Nicht, dass das gestiegene Maß an Eingängigkeit Oczy Mlody griffiger machen würde, es sorgt eher unterbewusst für einen infektiöseren Zugang zu diesen Landschaften, die mal zurückgelehnt pluckern und mit abgedrehtem Spoken Word-Outro veraschieden (There Should Be Unicorns), mal wie ziellose Western-Expeditionen mit Orchester-Soundtrack zu [amazon_link id=“B01F0XMMKC“ target=“_blank“ ]Kid A[/amazon_link] hin wirken (Galaxy I Sink), dann wieder catchy mäandern („Drip, drip, drippy glow, glowy and drippy, yeah“ gibt Do Glowy die Prämisse aus) und sich dem dramatischen 80er-Bombast verweigern (One Night While Hunting for Faeries and Witches and Wizards to Kill). Die Songs fesseln nicht per se – sie nehmen eher schlafwandelnd an der Hand, machen bei einem Mindestmaß an Entgegenkommen gefügig.

Am besten trifft es wohl die Kategorisierung von Coyne selbst: „It sounds like Syd Barrett meets A$AP Rocky and they get trapped in a fairy tale from the future…And it all takes place inside a gated community that has been made into a replicant fantasy fairy tale city where the mega-mega rich folks live and have self indulgent psycho parties (maybe I’ve been spending too much time around Miley Cyrus) where everyone takes Oczy Mlody (the drug uses your own sub-conscious memories and transports you to your perfect childhood happy mind) and everyone has sex while riding unicorns“. Das kommt tatsächlich hin.
Weil zahllose Fäden mutwillig lose in der Luft hängen gelassen werden, sich manche Pfade als hirnwütige Irrwege entpuppen müssen und generell etwas mehr Stringenz durchaus entlohnt hätte, präsentiert sich Oczy Mlody in Summe als durchaus ambivalente Schnapsidee am Scheideweg: In gewissen Phasen wirkt die arty Abgedrehtheit der Platte frustrierend bemüht, gerade weil die „klassischenFlaming Lips stets zum Greifen nahe scheinen, sich aber jeder Kompaktheit verweigern und durch diese Unwirklichkeit wiederum einen Großteil des niemals ganz fassbaren Reizes von Oczy Mlody beschwören. Ob die 58 Minuten hier nun insofern als entgegenkommendsten Szenen dieser nicht unanstrengenden Phase der Flaming Lips eingehen werden, einer Rückkehr aus der Alters-Verrückheit markieren oder ein bloßes Luftholen vor noch waghalsigeren Abenteuern darstellen, das muss freilich die Zeit zeigen. Für den Moment bleibt zumindest ein am süchtigst hinterlassende, wenngleich nicht restlos glücklich machende Grower der Band.

[amazon_link id=“B01M4GOIXP“ target=“_blank“ ]Vinyl LP auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B01M59EZGH“ target=“_blank“ ]CD auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B01M4M9LC7″ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link]

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen