The Men – Mercy

von am 15. Februar 2020 in Album

The Men – Mercy

Eine Premiere, die in direkte Fußspuren tritt und eine Rundumschau ermöglicht: Mit Mercy haben The Men erstmals drei Platten hintereinander in der selben Besetzung eingespielt.

Noch ein Novum: Noch nie zuvor wollte ein Album der Band rund um das Kernduo Nick Chiericozzi und Mark Perro derart deklariert den stilistischen Weg des Vorgängers fortsetzen. Was im konkreten Fall von Drift als Leithammel natürlich eine versprengte Verortung in unterschiedlichen Genres bedeutet und Mercy gewissermassen pünktlich zum zehnjährigen Plattenjubiläum der Brooklyner durch zahlreiche Episoden der eigenen Geschichte hasten lassend wie eine Art Retrospektive kleidet – und die versammelten 36 Minuten zu einem bisweilen arg zerfahrenen, nur im Rahmen homogenen Sammelsurium von sieben abermals live eingespielten Songs macht.

Ausgerechnet Children All Over the World führt als erste Single nicht nur durchaus auf die falsche Fährte, was die Erwartungshaltung angeht, sondern installiert auch jene Phase der Platte, die sich auf keine schlüssige Linie bringen lässt: Immerhin kollidiert das aus dem Classic Rock von Tomorrow’s Hits kommende New Wave-Stück, das wie der zaghafte Blick einer Band mit vagen Synthie-Visionen am Ende der 70er in die 80er wirkt, dabei aber nirgendwo ankommt, doch ungebremst in den flotten Countryrock des locker und unbeschwert dängelnden Call the Dr. kollidiert – der übrigens eine Lappalie auf New Moon gewesen wäre. Das folgende Breeze probt dagegen den straighten Rocker, der fast so herrlich verschwitzt wie früher mit Orgel und Soli aus der Garage, ohne aber das existentialistisch-impulsive von Open Your Heart (2012) erzeugen zu können.

In dieser Phase der Platte zementieren The Men den unausgegorenen Eindruck, den Mercy als Ganzes erzeugt, auch dadurch, dass die einzelnen Teile nicht die Stärke alter Standards erreichen – sich sogar wie gute, aber eben auch wenig überwältigende B-Seiten alter Großtaten anfühlen. Weswegen das achte Studioalbum der Band auch einen frustrierenden Beigeschmack hinterlässt.
Dabei überzeugt Mercy auch ohne den Kontext eines schlüssigen Spannungsbogens zu weiten Teilen durchaus über eine stimmige Form und Substanz. Das so unendlich relaxt aus der Zeit gefallene Cool Water klingt wie eine vage Erinnerung daran, wie Pavement in ihrem entspanntest dösenden Augenblicken klingen hätten können, wenn Lou Reed deren Vorstand gewesen wäre, wo ein unaufgeregter Rhythmus die Akustikgitarre zum Lagerfeuer einer sanften Orgel führt – und sich hinten raus einen beinahe soulig in den Armen liegenden Schunkel-Chor gönnt, der im positiven Sinne zuviel Understatement und wenig Ambition hofiert, obgleich der Opener seine Intention dann doch über Gebühr dehnt.

Der stoische Groove des knapp elfminütigen Wading in Dirty Water ist ein konturloser Krautrock-Jam aus der zwanglosen Perspektive von Pink Floyd, der sein improvisiertes Mäandern als hypnotisches Stilmittel zur Transzendenz einsetzt, bevor Fallin‘ Thru als fragmentarisch skizzierte Klavierballade instinktiv plätschernd aus dem Leim geht. Genau dort schließt der Titelsong dann auch als sinnierende Lounge, leise und intim, behutsam und sanft – aber eben auch verdammt unspektakulär und etwas beliebiger, als man das von The Men gewohnt ist.
Doch mag die Band nach dem Umstieg auf einen zweijährigen Veröffentlichungsrhythmus mit Devil Music auch ein wenig ihrer im Feuilleton bejubelten Dringlichkeit verloren haben, gibt sie auch mit Mercy nicht ihren eigenwilligen Ausnahmestatus auf.

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