The Mount Fuji Doomjazz Corporation – Egor
Ein verkapptes Livealbum: The Mount Fuji Doomjazz Corporation entfernt sich noch weiter vom handfesten Noir Jazz und driftet immer tiefer in stockdunkles Ambient ab. Hoffnung gibt es anderswo, das ist Musik für die Schattenseite der Nacht.
Der in grelles Blaugrün getauchte Sonnenschein des Albumcovers findet natürlich niemals Zugang zu ‚Egor‚, diesem „Schnellschuß“ einer Russlandimpression. Nach dem letztjährigen, knallgelben, einstündigen Monolithen ‚Anthropomorphic‚ legen die Niederländer ohne Wechselspiel mit dem Alter Ego The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble unmittelbar den nächsten Brocken vor, ohne die Koffer richtig ausgepackt zu haben, die Tour durch das ehemalige Zarenreich hat genug Songmaterial ans, man will den hinkenden Vergleich ja nicht überstrapazieren, aber doch, Tageslicht gefördert, um der Band unter den Nägeln zu brennen. Eine entsprechende Dringlichkeit versprüht ‚Egor‚ nun jedoch nur selten, kein Wunder bei gerade einmal 4 Songs, deren kürzester immer noch über 13 Minuten schwadroniert, das Gesamtwerk hirnwütig in abstrakte Phasen der Intensität halluziniert.
Aus zahlreichen Sessionaufnahmen auf den Bühnen Russlands wurde dabei eine produktionstechnisch beeindruckende, gefühlvoll verstörende Klanghydra zusammengebastelt, die den bekannten Fokus vom Noir Jazz, vom kalten Doomansatz weiter hin zu bedrohlichen Ambiententwürfen verschiebt. Die Schwelle zwischen Improvisation und Komposition ist schmaler als je zuvor, The Mount Fuji Doomjazz Corporation verwischen die Sicht darauf zudem mit versteckten Elektronikspielereien. Die Violine im längsten Albumtrack ‚Cosmonaut (Rasputina)‚ heult da klaustrophobisch im Wahnsinn, das Musikerkollektiv baut nebenher langsam spannungsgeladene Sphärenmusik auf. Am besten ist das an der Spitze der Amplitude, wenn die Konstruktionen der Band in scheinbar greifbare Nähe rücken, wenn sich die Posaune in ein Beet aus flächigen Gitarren legt, die als solche nicht mehr zu erkennen sind, das Schlagzeug sich anspannt und den Nachdruck steigert, der gequälte Gesang zum leidenden Geschrei ohne Textbotschaft in panischer Verzweiflung schwelgt.
‚Egor‚ schwillt so zwischen geheimnisvoller Zurückhaltung und brachialer Eindringlichkeit auf und ab, entzieht sich als nächstgelegenes Pendant zum Post Rock aus nebelverhangenen Straßen zu beinahe jedem Moment der Handfestigkeit. Sprachsamples schlagen ihre Wurzeln zögerlich aus, die Band spielt rund um jede konkrete Habhaftigkeit, immer wieder brechen Noiseanfälle in die beklemmende Atmosphäre. Das ist mittlerweile näher an den famosen Labelkollegen von Dale Cooper Quartet & The Dictaphones und deren aktuellem Entwicklungsschritt ‚Métamanoir‚ als am The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble Meisterwerk ‚From the Stairwell‚. Und obwohl sich das bei aller Konsequenz in der Feinjustierung zu sehr in der Unverbindlichkeit der sich ineinander verkeilenden Soundflächen gefällt, entfaltet die Corporation wieder diese ganz eigene, verstörende Magie, die direkt in dunkle Gassen und zigarrenrauchverhangene Clubs einer Alptraumwelt führen. Die Bilder verschwimmen vor den Augen des Kopfkinos, ‚Egor‚ hinterlässt schwindelerregende Eindrücke gemarteter Musikerseelen. Das ist auf seine Art ein verwegenes Live-Dokument, das Publikum spendet vor dem entarteten Pianooutro energischen Beifall. Und bevor man es vergisst: Der David Lynch Verweis, der passt natürlich trotz allem immer noch nur zu perfekt.
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