The Smashing Pumpkins – Atum: A Rock Opera in Three Acts (Act III)
Das in drei Tranchen veröffentlichte Atum: A Rock Opera in Three Acts ist als zwölftes Studioalbum der Smashing Pumpkins der offizielle Nachfolger von Mellon Collie and the Infinite Sadness sowie Machina/The Machines of God.
Ein Kennzeichen der aktuellen Inkarnation der Smashing Pumpkins ist ja nicht nur die wenig ökonomische Nutzung ihrer drei (!) Gitarristen, sondern vor allem auch die absolute Verschwendung von Drum-Meister Jimmy Chamberlain, der in den meisten Momenten von Atum all seiner Fähigkeiten kastriert ja wie die dilettantischst programmierte Drum-Machine der Welt eingesetzt wurde.
Nun jedoch bekommt er am Ende des fast neunminütigen Intergalactic (einer Nummer, die beginnt, als wolle sie die dystopisch galoppierenden Keyboard- Treiber von Muse kopieren, um zur Mitte hin heroisch polternd an psychedelisch angehauchter Tribal-Fahrt aufzunehmen, strukturell aber leider außer dem beständigen Anziehen der Spannungskurve keinen erfüllenden Klimax hat) sogar beinahe eine Art ein kleines Solo eingeräumt (ohne freilich Freiheiten jenseits der domestizierten Zügel zu genießen).
Was durchaus symptomatisch für die Verortung von Act III ist: nachdem bereits das Mittelstück von Atum den tranigen Synth-Pop-Gewand von Part I mit mehr Riffs und Gitarren infiltrierte, lässt Corgan das abschließende Segment nun noch merklicher in diese Ausrichtung mutieren, zieht die Ambitionen in der Evolution sogar dorthin, wo die gängigen Vorstellungen liegen, was eine prolongierte Rock Oper zu sein hat – und die Smashing Pumpkins klingen gar über weite Strecken sogar wieder wie Smashing Pumpkins (oder richtiger: ein wirklich solider Schatten ihrer eigenen Ikonographie!).
Dafür nimmt die (ohne abseits der Musik nachgereichter Erklärung weiterhin nicht greifbar werdende) Geschichte von Shiny in ihrem nun endlich erreichten letzten, mit 53 Minuten Spielzeit längsten Drittel, gar progressive Formen an.
Sojourner gelingt der weiche Übergang von Springtimes bzw. ein stimmiger Einstieg in das autonome Gefüge, indem Corgan dem Synth-Quark des bisherigen Weges sinfonische Geduld beibringt, Jimmy gekonnt von der Ersatzbank holt, und seine Musik bis zu der starken Hook etwas fragiles, flüchtiges und gefühlvolles in der Melodik ausstrahlt, als gälte es vage zu bestätigen, dass hier hinter einer weiterhin zu zwanglosen, den Gesang aufdringlich mixenden Produktion und der leider nicht gänzlich zurückgelassenen Atum-Wurzel immer noch das Genie werkelt, das bis Machina eigentlich nur Über-Alben vom Stapel ließ. Dass die angekleisterte retrofuturistische Bridge des Openers zu einem choral aufzublühenden Finale führt, das in einer Sackgasse verglüht, demonstriert dann aber noch, dass Corgan ohne kreativen Reibungspol am Produzentenstuhl das vorhandene Potential allerdings auch näher an den eigenen Stärken arbeitend zu frustrierend vertändelt.
Ähnlich geht es dem kompakteren In Lieu of Failure, das als knackiger Riff-Rocker mit Stoner-Tendenzen tausende Male seine „Alone„-Passage wiederkäut, während aus einer vielversprechenden Idee nicht mehr gemacht wird, als ein kaum belang erzeugendes Routine-Ergebnis ohne emotionalen Hebel. Das um sein stumpfes Gitarren-Braten eilende That Which Animates Spirit wäre so sehr ein die Endorphine erheben wollender Rocker, wie das Atum wohl überhaupt möglich ist – all die „Zero„s nerven jedoch einfach.
Das enervierende Nicht-zum-Punkt-finden, die ständigen textlichen Repetitionen, die abrupten Enden… viele der Mankos der beiden Vorgänger finden sich auch trotz des gravierendsten ästhetischen Ballasts im Rückspiegel weiterhin im Repertoire dieses Mammutprojekts.
Dennoch gelingen Corgan nun so viele starke Szenen, wie gefühlt seit Ewigkeiten nicht. Immer wieder wird nach anfänglichem Unglauben über die seit Act I abgerufene Leistungssteigerung klar, es bei Act III mit der besten Pumpkins-Veröffentlichung seit Oceania zu tun zu haben.
Beispielsweise, wenn die Rock Oper ohne Umwege die Nähe zu dem wunderbaren Vermächtnis von Zwan sucht – das weiche The Canary Trainer hat einen wohligen, latent dunklen 80er-Vibe über dem tumben Tanzbeat; Pacer gönnt sich uneilig joggend Dark Wave-Tupfer mit funkelnder Nostalgie und toll umherspringenden Backingvocals, selbst das ambiente Outro ergibt sich schlüssig; und das wiewohl nicht ewig in der Erinnerung festhaltende Spellbinding probt den aus dem Kitsch gelösten Endorphin-Rocker: optimistisch, ausgelassen, happy.
Das viel zu lange um seine banale Idee lamentierende Harmageddon funktioniert wie eine flapsig hüpfende Adaption des aktuellen Thrash-Verständnis der Hardrocker Metallica, (also auch als Mahnmahl, dass Corgan fette Rocker alleine nicht mehr effektiv und durchdacht einfangen kann,) lässt aber zumindest das Solo gniedeln und macht auf eindimensionale Weise Spaß, bevor Fireflies wie eine Stranger Things-Episode beginnt und in Folge entsprechend elegisch schwelgenden Elektropop – auch wieder sinnbildlich für Act III generell – veritabel kann.
Das viel zu plötzlich beendete Cenotaph lüftet mit Semi-Acoustic-Flair und ruhigem Fluss die Ästhetik angenehm durch, schmückt sich und seine traurig-düstere, abgekämpft melodramatische Ausstrahlung gekonnt mit retrofuturistuschen Synthies und den fein inszenierten Begleit-Ladies: Irgendwo auf dem Weg hat Atum (zumindest in mancherlei Hinsicht) doch noch die Kurve zur relativen Subtilität gekriegt. Attestieren, dass dieser Prozess seit jeher zum konzeptuellen Ziel von Corgan gehörte, will man dann aber doch nicht wirklich – zu sehr scheint der 56 jährige dafür etwaigen Zielgruppen händeringend (weezer‚esk) nachzulaufen.
Das beste hat sich Corgan dennoch für den Schluß aufgenommen. Beinahe zumindest. Denn wäre Of Wings als finales Stück ohne in Gang zu kommen nicht ein derart absolut unterwältigendes, durch und durch egales Clusterfuck-Mäandern, würde hier in der Endbewertung (so lange man jedenfalls nicht den Fehler macht und die Werke bis inklusive Zeitgeist als Maßstab gegenhört, sondern alleine anhand des bisherigen Niveaus von Atum die Erwartungshaltungen übertreffen lässt und Mellon Collie and the Infinite Sadness gänzlich als Anhaltepunkt streicht) sogar die Aufrundung zwischen den Punkten in Frage kommen.
Als Licht am Ende des Tunnels gelingt es Corgan allerdings so oder so durchaus Ergebniskorrektur für das Gesamtwerk zu leisten und phasenweise gar Wiedergutmachung für eine weit über Gebühr gedehnte Tour de Force aus Selbstkasteiung, Selbstdemontage, Langeweile und Geschmacklosigkeiten zu leisten. Was zu einem ziemlich unglaublichen, rundum versöhnlichen Ergebnis führt: Atum ist doch nicht der persönliche Jump the Shark-Moment für das eigene Fan-Dasein geworden, wie das im November 2022 noch der sich unvermeidbar abzeichnende Fall schien. Viel eher ist da nach dem gelungenen Act III sogar die Neugierde geweckt, was Zodion at Crystal Hall aka Shiny Vol. 3 so kann.
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