Theophonos – Nightmare Visions

von am 4. Mai 2023 in Album

Theophonos – Nightmare Visions

James Hamzey (Bimetal Collector, Whitewalker) hat nach dem prolongierten Ende des schon jetzt legendären Serpent Column-Zyklus als Theophonos gewissermaßen eine Solo-Plattform erschaffen, die mit Nightmare Visions nun den Nährboden für abgründige Traumlandschaften aussät.

Dass Hamzey unter Serpent Column einen Schlussstrich ziehen würde, mag angesichts der Reputation, die das Projekt ihm einbrachte, manchen verwundert haben. Doch war der aus konzeptuellen Gründen gewollte Schritt bereits lange angekündigt – und eben nur mit einer kompromisslosen Konsequenz durchgezogen worden, die Serpent Column auch auf musikalischer Ebene seit jeher auf ein Podest hob, zu dem selbst den potentesten Epigonen zwischen den Fronten aus Black Metal und Mathcore vorerst nur empostarren können.
Anstatt nach dem Ende seines Flaggschiffs nun aber einen Schritt weiterzugehen macht Hamzey als Theophonos nun jedoch viel mehr einen zurück, wie die Liner Notes der Platte verraten: „Theophonos (“god-murderer”) in collaboration with Mystískaos and Amor Fati announces the release of Nightmare Visions, a 30-minute full-length based on visionary dreams during the Mirror in Darkness years, complete with extensive illustrations by Hafsteinn Ársælsson (Wormlust, Guðveiki). This project, at least at its outset, is distinct from Serpent Column primarily in its intensely personal, retrospective lyrical content and its overall lyrical and compositional directness. Key musical influences include Death Grips, Rixe, and Prurient’s Frozen Niagara Falls.

Diese erwähnten Referenzen muss man dieser „cartography of dreams, 2017-2019“, written and produced by Theophonos, 2020-2022“ nebst „additional engineering by Maya Chun„, nicht unbedingt anhören.
Während die Trademarks von Serpent Column – freilich alleine schon aufgrund der personellen Beteiligung – als Basis im Grunde beibehalten werden, verschiebt Nightmare Visions deren Formen weiter in den Hardcore, nutzt griffigere Strukturen und Riffs als Auftrittsfläche (weswegen man im Opener Maps of the Future sogar hardrockige Tendenzen auszumachen meint) und wirkt so ein bisschen wie eine phasenverschobene, weniger dicht gepresste Alternative zu Endless Detainment – es dürfen manchmal Converge aus der Black Metal-Perspektive als Assoziation in den Sinn kommen.
Überraschend ist dies nicht. Weite Teile der ersten Plattenhälfte sind nach dem Einstieg in Nightmare Visions ja durch die Milim Kashot Vol. 4-Compilation seit längerem bekannt – und wie sehr der Hardcore an den Höhen des Black Metal gefoltert wird, dafür steht Thousand Imaginary Swords exemplarisch. Go on to Your Gallows pendelt darüber hinaus geradezu sinnierend im Math, bevor die Zügel wieder enger gezogen und die Riffs ätzend geschleudert werden, die Saiten hirnwütig hyperventilieren und dann mit repetitiver Unberechenbarkeit durch die Gummizelle springen, bevor Lost One den Groove in der Abwärtsspirale zum dissonanten Fleischwolf jagt und als delirantes Ringelspiel im höllischen Fegefeuer rotiert.

Der Rest folgt diesem Weg ästhetisch, hält das Niveau allerdings nicht nur spielend – mit A Rest in Turbulence, einem depressiv gebrochenen Instrumental, das trotzdem versöhnliches Durchatmen sein kann; und Lower Types, das seine Aggressionen in alle Richtungen ausbrechen lässt – sondern trumpft auch noch ordentlich auf: Nightmare Visionary eskaliert progressiv unter Dampf stehend bis zum Abgang im Quasi-Stadion-Moment und Of Days Past wächst als Konglomerat der bis dahin zelebrierten Attribute mit sehnsüchtigem Gitarrensolo als Sahnestück über den Ambient zum nahbaren Geschrammel ohne Distanz.
Es liegt auch an diesem Abgang – wiewohl ebenso an dem doch noch intensiveren Schaffen von Serpent Column als Messlatte – dass Nightmare Visions stets das ein bisschen unbefriedigende Gefühl mittransportiert, dass Hamzey auf dem ersten Theophonos-Album erst einen noch nicht wirklich erschöpfenden Vorgeschmack auf das vorhandene Potential dieser vielversprechenden neuen Projektionsfläche gibt.

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