Torres – Sprinter

von am 5. Juni 2015 in Album

Torres – Sprinter

Mit der strammen Produktion von Adrian Utley und (bezeichnenderweise!) ausgerechnet PJ Harvey-Intimus Rob Ellis im Rücken findet deren prolongierte Nachfolgerin Mackenzie Scott mehr Selbstvertrauen im Auftreten, eine straightere Ruppigkeit und letztendlich vor allem mehr 90s-affinen Rock in ihren dunklen Singer-Songwriter-Schönheiten.

Die stetigen Vergleiche mit PJ Harvey wird die 24 Jährige Amerikanerin Scott mit ihrem Zweitwerk damit bis auf weiteres definitiv nicht ablegen können, zumal die mit ihrem selbstbetitelten Debüt redlich verdiente Aufmerksamkeit nun auch Früchte für eine breitere Allgemeinheit abwirft.
Wie der grandiose Vorgänger ‚Torres‚ von 2013 – und eben zahlreiche der vor allem frühen Geniestreiche von PJ Harvey – lebt auch das zweite Album der Musikerin aus Georgia von einer ebenso anmutigen wie trügerischen Schönheit, hinter der stets eine finstere Abgründigkeit wächst; sie erzählt mit starken Melodien und an der schmerzhaften Katharsis entlangschrammenden Texten von leidvollen Erfahrungen und emotionalen Narben hinterlassen habenden Geschichten, nicht immer unbedingt eigenwillig, aber stets charakterstark – und in der Dualität aus zupackend und sanftmütig streichelnd mit einer anziehenden Bannkraft.

Dass Torres den theoretisch schwer auf den Schultern wiegen müssenden Vergleichen kurzerhand erstaunlich konfrontativ begegnet, indem sie neben Portishead-Member Utley eben Ellis und Ian Oliver aus PJ Harvey’s (ehemaliger) Stammband engagiert, darf dann generell als Sinnbild für das Auftreten von ‚Sprinter‚ verstanden werden. Scott stellt sich rein musikalisch auf die Hinterbeine, forciert einen deutlich stärkeren Zug nach vorne und praktiziert in Summe eine Gangart, wie es das vorausgeschickte ‚Strange Hellos‚ bereits in Aussicht stellte. „I hate you all the same“ greint sie da vor einzeln angeschramten, abgedämpften Akkorden, bevor der Openr breitbeinig die Grungekeule schwingt, jaulendes Gitarrensolo inklusive. ‚Sprinter‚ dreht die Verstärker auch in weiterer Folge höher auf als sein Vorgänger, drückt in einer schönen Regelmäßigkeit, artikuliert seine Dringlichkeit weniger unterschwellig und gefinkelt als ‚Torres‚, gewichtet seine Interessen aber auch auf einer breiteren Basis.

Das unbehagliche ‚Son, You Are No Island‚ zwängt etwa beschwörende Effekte in eine beklemmende Atmosphäre, tröstende Worte klangen selten so bedrohlich, am Ende gar psychotisch wie hier. ‚A Proper Polish Welcome‚ ist dagegen ein behaglich ausgebreitetes Stück Wohlklang und streichelt zumindest oberflächlich, ‚The Harshest Light‚ führt vor, dass Torres durchaus Gefallen daran findet auch einmal nach großen Szenen zu greifen, während ‚Cowboy Guilt‚ als abgedimmt stampfendes Luftholen mit dezentem Elektronikflair werkt, im Kontext betrachtet geradezu irritierend beschwingt aus dem Rahmen fällt.
Denn ob Torres nun wie in den beiden siebenminüten Slo-Core-Gitarrenminiaturen ‚Ferris Wheel‚ und ‚The Exchange‚ sparsam mit ihren Ressourcen umgeht und damit ätherisch und entrückt unter die Haut einwirkende Kleinode erschafft, oder wie in ‚New Skin‚ und dem Titelsong einen Druck aufs Gaspedal an ihr tolles Gefühl für Melodien koppelt, ist ‚Sprinter‚ letztendlich trotzdem immer auch ein erbarmungsloser Kampf mit sich selbst und den Dämonen der Vergangenheit.
Wirklich dorthin wo es wehtut geht Torres diesmal vordergründig aber nur aus lyrischer Sicht und kasteit sich mit Zeilen wie „Mother, father, I’m underwater/ And I don’t think you can pull me out of this“ mit depressiver Melancholie selbst – gibt sich dafür aber musikalisch auch gefälliger, zugänglicher und entgegenkommender, macht die Sache für sich selbst und den Hörer damit bisweilen einfacher, wohlgleich allerdings nur auf den ersten Blick im Tausch für einen gewissen Teil der karg funkelnden Magie des Vorgängers.
Letztendlich bleibt damit zwar abermals der Eindruck, dass Torres sich ihrem vollen Potential erst annähert, dennoch funktioniert ‚Sprinter‚ als ähnlich vortrefflicher, schlichtweg anders gewichteter Nachfolger des vielversprechenden Debüts. Erst Recht, wenn Scott die Vorhänge mit einem wärmenden Optimismus aufzieht, mit dem leisen Funken Hoffnung am Horizont ein Lächeln ins Gesicht zaubert und ihre Hand nicht deswegen reicht, um in die Einsamkeit zu führen: „If there’s still time/ I’ll choose the sun/ I’ll run it back for everyone.“ In Momenten wie diesen gehört Torres nämlich bereits zu den ganz Großen ihrer Zunft.

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