Trent Reznor and Atticus Ross – Watchmen (Music From the HBO Series), Vol. 1
Damon Lindelof wollte sich nach dem ikonischen Score, den Max Richter für den unter Wert verkauften Serien-Geniestreich The Leftovers zauberte, offenbar nicht lumpen lassen und hat für seine Quasi-Adaption von The Watchmen gleich die Oscar-Preisträger Trent Reznor und Atticus Ross an Bord geholt.
Natürlich bedient das Nine Inch Nails– und How to Destroy Angels-Gespann auch auf Watchmen (Music From the HBO Series), Vol. 1 seinen typischen Trademark-Signature Sound: Das mollschwer in melancholischen Erinnerungen schwelgende Pianostück Orphans of Krypton könnte irgendwo aus dem Fundus von Ghosts oder Birdbox stammen, und das traumwandelnde Watch Over This Boy wirkt in dieser Verortung wie eine ausführliche Instrumental-Reminiszenz an I’m So Tired von Fugazi. Auch das entschleunigt programmierte Objects in the Mirror (Are Closer Than They Appear) adaptiert akribisch die Stammband-Maschine des Duos, arbeitet enorm atmosphärisch und kaschiert die kompositorische Entwicklungsresistenz der Mood-Pieces etwa dadurch, dass im konkreten Fall Kattle Battle nahtlos übernimmt und das Stück mit mehr Freiraum funkelnd entwickelt.
Allerdings geben sich Reznor und Ross dann doch auch Mühe Watchmen (Music From the HBO Series), Vol. 1 nicht zu sehr innerhalb der etablierten Komfortzone dem Austausch feilzubieten oder in einen sich selbst plagiierenden Autopiloten zu verfallen, und die drehen den zugrunde liegenden Gehalt der Elektronik massiv nach oben. Auch wenn man den weitestgehend genormten MO dieser Nummern schnell durchschaut (auf ein ambientes Darkwave-Plätschern nehmen die Stücke stets Anlauf und pushen dann ziemlich direkt nach vorne gehend) sorgen sie für eine energische Färbung altbekannter Stilmittel.
How the West Was Really Won führt etw das Ticken des Uhrwerks als überspannende Motiv ein. Düster und beklemmend rumoren die dröhnenden Synthies und haben darüber einen neonfinster schimmernden 80er anstrich a la John Carpenter in Italians Do It Better-Ästhetik. Nun With a Motherfucking Gun hat nicht nur einen weltklasse Titel, sondern schält den Synthwave aus dem Industrial sogar fast schon in der Nähe der Tanzfläche heraus. Die Gitarren scheppern irgendwann skelettierten in der Distortion schrammelnd, doch der Rhythmus bleibt das prägende Element. Deswegen folgt I’ll Wait primär einem treibenden Beat über die dystopischen Klangtiefen und The Brick groovt sich in verführerischer Ungemütlichkeit ein, bevor Never Surrender kurz monströs röhrt und dann das Muster bedient, als hätte Ross und Reznor zuletzt viel Furi oder Hotline Miami gespielt.
Allerdings bleibt Watchmen (Music From the HBO Series), Vol. 1 dabei immer eine Spur zu sehr Sammelsurium, hat keinen übergeordneten Spannungsbogen – und spendiert sich diesbezüglich mit einigen aus der Serie direkt übernommenen Spoken Word-Sample-Interludesauch gut gemeinte, aber letztendlich doch vor allem kontraproduktiv funktionierende Skits.
Immerhin überspitzen Garryowen (die einschüchternde Ansprache der 7th Cavalry), das pathetisch-heroische American Promo Story, das dramatische Trigger Warning oder die abenteuerlichen Monolog-Fanfaren von Müller Time das Geschehen zum klischeehaften Comic Relief und verdichten damit weniger die projektgebundene Ausstrahlung, als dass die an sich universelle imaginative Wirkung untergraben wird.
Dennoch beschließen Ross und Reznor als Soundtracklieferanten für HBO das Jahr 2019 nicht nur so, wie sie es für Netflix begonnen haben, sondern liefern in den Fußspuren von Bad Witch auch ein kleines Highlight-Amalgam: Die minimalistische Klanginstallation Absent friends and Old Ghosts folgt der Bowie’schen Blackstar-Freejazz-Reminiszenz von God Break Down the Door in Owl Hunt Rat. Wohin dies auf Vol. 2 von Watchmen (Music From the HBO Series) führen könnte, lässt trotz gewisser eingeschliffener Mechanismen interessiert in die Zukunft blicken.
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