Tucker Zimmerman – Dance Of Love

by on 13. Oktober 2024 in Album

Tucker Zimmerman – Dance Of Love

Adrianne Lenker beglaubigt: „Tucker Zimmerman is one of the greatest songwriters of all time.“ Insofern muss für sie ein Traum in Erfüllung gegangen sein, dass sie (gemeinsam mit Big Thief sowie deren Kollaborateuren Mat Davidson und Zach Burba als Backingband) Dance of Love inszenieren durfte.

Das offiziell elfte Solo-Studioalbum des 83 jährigen Wahl-Belgiers trägt in jedem Augenblick klar die Handschrift der besten Folkrock-Band unserer Zeit, stellt Zimmerman und dessen vom Alter gezeichnete, gefühlvoll-heisere Stimme aber auch stets in die erste Reihe. Stellt man sich also ein Big Thief-Album mit externem Protagonisten vor der jeden Song stimmlich begleitenden Adrianne Lenker in der zweiten Reihe vor, hat man also schon eine verdammt gute Vorstellung, was den Sound der Platte angeht.
Wo die Atmosphäre der Platte deswegen ansatzlos abholt, kann das Songwriting von Dance of Love derweil jedoch nicht mit „richtigen“ Big Thief-Nummern oder den Höhepunkten aus Zimmermans 1969 begonnener Karriere mithalten.

Doch wo alleine schon die absolute Chemie zwischen den Parteien in ihren Bann zieht, gibt es eigentlich auch keinen wirklichen Ausfall. Nur das beschwingt vorangehend auf die kompakt entspannte Rhythmusgruppe gepackt The Idiot’s Maze hätte es (zumindest an zweiter Stelle der Tracklist platziert) nicht gebraucht, weil die Nummer vielleicht als Notwendigkeit für die Albumdynamik angesehen worden sein mag, aber letztlich ereignislos dahinläuft, und, nachdem keiner so recht weiß wohin, einfach wieder abgedreht wird. Stimmiger und homogener fügen sich in diese Funktion  They Don’t Say (But It’s True) (dem ein leichtes Schunkeln als Antrieb reicht) oder  The Ram-a-lama-ding-dong Song (als kurze, liebenswürdige Scharmützel-Demonstration, was den spontanen Spaß der Sessions bis zu einer schiefen Blaswerk-Nonchalance einfangen soll) in den Fluss.
Bei der Gelegenheit fällt allerdings auch auf, dass das Material im Zweifelsfall selektiv eine Spur eindrucksvoller funktioniert, als am relativ höhepunktlosen Stück konsumiert.

Old Folks of Farmersville schippert müde am Americana und das melancholische Duett Lorelei bewegt sich ruhig und heimlich etwas weiter aus der Big Thief-Komfortzone zu einer Bill Callahan-artigen Meditation, während sich die filigrane Zeitlupe  The Seasons beinahe vollends in eine intime -Solo-Gitarren-Miniatur zurückzieht, aber eben nicht alleine auf Zimmermann vertraut.  Beinahe störend wird dies, wenn der Protagonist mit Augenzwinkern sentimental agiert („I made it through another night/ I can’t believe I’m still hanging around/ I can’t believe I’m not hanging upside down/ And yes, I’m so lucky to be alive“), Lenker aber ein unnötiges Schulterklopfen nachwirft („And kicking too!“).
Anstatt eine Gänsehaut zu erzeugen, verliert sich Nummer jedenfalls nach und nach, auch der im Hintergrund schlummernde Drone erzeugt keine Konsequenz. Es gibt eben einige Punkte, an denen Dance of Love sein Potential erfüllender umsetzen hätte können.

Nichtsdestotrotz ergeben die 43 Minuten ein stimmiges Album und auch würdiges Alterswerk, das man vielleicht primär wegen der Big Thief-Ästhetik in Erinnerung behalten wird, dahinter aber gerade mit etwas Abstand viele schöne Karriere-Deep Cuts entdecken kann.
Vor allem  Burial at Sea gerät einfühlsam schön und lässt seine melancholischen „Oh Yeah“s klingen, als würde man nostalgisch einem halb vergessenen Ohrwurm nachträumen, während Don’t Go Crazy (Go in Peace) kaum behutsamer seine Zärtlichkeit streicheln könnte und Nobody Knows als Country Blues jenseits von Dylan in die Zukunft blickt: „Oh, nobody knows what’s gonna happen/ No, nobody knows what’s gonna happen/ What’s gonna happen next/ After you’ve wound up your clocks/ And your time has been told.
Diese relative Sorglosigkeit, was das Morgen ungeachtet seiner Pespektiven angeht, passt natürlich zu einem Album, das im Grunde den Augenblick auskostet und die Synergie des ungezwungenen Miteinanders über alles stellt. Seinen eigentlichen Höhepunkt erlebt „Tucker Zimmerman and Friends Play Dance of Love“ deswegen auch, wenn Gattin Marie Claire von der Stütze am Cover in der Skizze Leave It on the Porch Outside zur Anführerin wird, und die restliche Gang in der Rolle munter folgender Stichwortgeber beim entspannten Veranda-Jam glückselig lächelt.

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