Uniform – Wake in Fright

von am 31. Januar 2017 in Album

Uniform – Wake in Fright

Das New Yorker Duo Uniform führt seinen zwischen kaltem Industrialrock und gnadenlosen Hardcore-Spielarten randalierenden Nihilismus auf Wake in Fright weiter in die metallische Dunkelheit – und trifft als Sklave seiner erdrückenden Attitüde mit pessimistischem Menschenhass wohl ideal den Puls der Zeit.

Dass das Zweitwerk von Sänger Michael Berdan und Gitarrist/Produzent Ben Greenberg justament am selben Tag erscheinen würde, an dem Donald Trump als Leader of The Free World ins Amt des Amerikanischen Präsidenten treten würde, konnte vorab freilich keiner wissen. Für den Charakter und die Ausstrahlung von Wake in Fright ist dieser schicksalhafte Zufall freilich nur zusätzliches Wasser in die unerbittlich maschinell angetriebenen Mühlen – alleine schon wenn die Noiserock-Single The Killing of America den Teufel an die Wand malt, ein räudiges Riff zu angepisst die Zähne fletschen lassenden Figuren schmutzig in die Finsterniss hämmert, nach und nach aus der Ministry-Perspektive gar zwischen Slayer-Thrash (samt hirnfickendem Solo) und Agoraphobic Nosebleed-Grind (die Drummachine hyperventiliert sich verselbstständigend bis zum Kollaps) in pure Raserei verfällt hat das etwas apokalyptisch-prophetisches.

We are surrounded by war and the whole world is burning and it doesn’t seem like there are any appropriate reactions or responses left anymore. This music is our response to and our reflection of the overwhelming violence, chaos, hate, and destruction that confronts us and everyone else in the world every day of our lives.“ Nicht sehr differenziert – aber diesen absoluten Negativismus fängt Wake in Fright dafür umso schonungsloser ein.
Gleich das wütende Tabloid adaptiert den Kadaver des Grunge als bösartige Tollwut, peitscht sich ohne Nuancen nach unten oder oben monoton in die Misanthropie, streng und roh. Damit ist der weitere Weg von Wake in Fright geräumt, obgleich dieser mit seiner kompromisslosen Inszenierung durchaus für Diskrepanzen sorgt: Wo die Atmosphäre durch die hermetische Produktion die Attitüde vor das Songwriting zu schieben scheint und Uniform mit ihrer frontalen Gangart erst plakativ wirken können, kriegen einen Uniform gerade durch diese exzessive Konsequenz dann doch immer wieder.

Der heimliche Hit Habit pulsiert entschleunigt über einem finsteren Drone, fesselt als malträtierender Giftpilz, doch wenn der Song im Refrain als Pit-Bombe explodiert, hält Greenberg die Wucht ernüchternd undynamisch unter Kontrolle – eine Selbstgeißelung! Auch The Lost legt nahe, dass Uniform-Kompositionen am schlüssigsten sitzen, wenn die Band das Tempo herausnimmt und stattdessen wie hier Erinnerungen an Depeche Mode und die 80er mit dem Hass der frühen Nine Inch Nails misshandelt. Vor allem dass die skizziert eingeflochtenen Melodien hier ein wenig Raum zur Entfaltung bekommen, hebt den Song über die perspektivenlose Aussichtslosigkeit, die auf Wake in Fright ansonsten herrscht. Diese gehört wohl zum Konzept, kann aber bisweilen auch frustrieren.

Doch wo Uniform das Gefühl der finsteren Isolation soundtechnisch rücksichtslos und wenig variabel übersetzen, gibt sich das Songwriting der Platte im Grunde durchaus abwechslungsreich.
The Light At The End (Cause) lässt seinen rasend zum Grindcore gepeitschten Beginn etwa in einen schleppenden Feedback-Morast ala Pharmakon kippen, während der Zwilling The Light At The End (Effect) am anderen Ende gänzlich Ambientmusik mit den Mitteln des Noisecore praktiziert, entlang seiner Samples allerdings so unbehaglich wie ziellos in seiner Komfortzone mäandert. Die eingefangene Stimmung steht eben nicht nur hier über allem.
Wenn Uniform dann wiederum den Geschwindigkeitspegel nach oben drehen, zelebriert das herrlich gnadenlos auf Speed gallopierende Bootlicker die Maxime, eine Idee so lange bestialisch über Gebühr zu drangsalieren, bis der Song schließlich aus Erschöpfung zusammensackt. Night of Fear prügelt folgerichtig stur und ermüdend auf die immer selbe Stelle ein, ganz egal ob ein Wirkunstreffer gelingt oder nicht, macht mürbe, und wirkt damit wie eine Schläger, der seine Stärken bewusst im Nahkampf hat, auf die Distanz jedoch wenig ausrichten kann.

Nachdem Wake in Fright die Ausrichtung des Vorgängers Perfect World generell in metallischere Gefilde nachjustiert und damit eine durchaus faszinierende eigenwillige Nische für Uniform erschaffen hat, gönnt man es den 38 Minuten letztendlich auch diesen konzentrierten Fokus, sich ein wenig zu bedingungslos in den eigenen Nihilismus hineinsteigern – und eine Platte abzuliefern, die paradoxerweise gerade aus ihren Limitierungen einen Gutteil der Stärke zu provozieren.
Somit verstehen Greenberg und Berdan es auch ohne die eingangs erwähnte zusätzliche veröffentlichungstechnischen Fußnote, den Finger mit sozialpolitisch auf die Barrikaden steigender Ungemütlichkeit in die Wunde zu drücken und dabei eine Schmerzzone zu bearbeiten, die zwischen Vår und Margaret Chardiet auf der passgenau gewählten neuen Heimat Sacred Bones Records noch frei ist. Vor allem aber vermessen Berdan und Greenberg mit ihrem schmutzigen Konglomerat aus einer vielseitig geifernden Gitarre, industriell zuckenden Beats und sonor agressiven Vocals die Distanz zwischen Godflesh und Big Black, vermengen mit minimalistischen Mitteln eine luftdicht abgeschlossenen Alptraumversion von Sleaford Mods, Killing Joke, Pissed Jeans und Youth Code. Dass da noch Luft nach oben bleibt, ist deswegen im Grunde eine ebenso beängstigende wie vielversprechende Zukunftsaussicht.

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