Voodoo Jürgens [14.10.2020: Forumkloster, Gleisdorf]
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Der Schritt von Ansa Woar zum 2019er-Highlight ’S klane Glücksspiel war schon ein eindrucksvoller, doch zeigt sich erst live weiterhin so richtig, wozu Voodoo Jürgens und seine bestechend aufspielende Ansa Panier fähig sind.
Das gilt auch in Corona-Zeiten, denn natürlich steht der Auftritt in Gleisdorf, lange bevor David Öllerer und seine Band mit Wien bei Nacht in den Abend hineinstacksen, unter den Eindrücken einer Pandemie: Während die Flaming Lips einige Kilometer weiter Isolationskonzerte auf die Spitze getrieben haben, ist die Show von Voodoo Jürgens ein Nachholtermin aus dem Frühjahr und mittlerweile zu einem reinen Sitzplatzkonzert geworden.
Registrierung und Platzzuweisung vor Showbeginn sowie Getränkeverbot in der Halle inklusive („Darf man herinnen leicht nix trinken?“ fragt der Sänger vor Ohrwaschlkräuler verwundert, als ihm die freilich dennoch vorhandenen Bierflaschen nicht zuprosten wollen), dazu natürlich Maskenpflicht bis zum Platznehmen. Der Merch-Stand muß es außerdem vor Konzertbeginn in der Kälte aushalten, bevor er danach in das Foyer wandern darf. Eine Stunde vor der Show ist das Forumskloster aber ohnedies verwaist, später wird der von der Band anvisierte Beginn um „20.45 Uhr herum“ spontan nach vorne verlegt, „weil eh schon jeder da ist“ – von den rund 210 fein säuberlich auseinandergerückten Plätzen sind um 20.15 Uhr tatsächlich kaum noch welche unbesetzt.
Wie zielführend all diese Maßnahmen letztendlich tatsächlich sind, wenn es Mitsing-Momente und Klogänge ohne MNS gibt, kann man als Laie wohl nicht adäquat beurteilen. Richtig ist aber, dass der Abend für alle Beteiligten ein irritierendes Distanzgefühl erzeugt, im Kern aber mehr oder minder einer weitestgehend regulären bestuhlten Show nahekommt – in der die Sitzplätze nur eben angenehm weit genug von der nächsten Person entfernt sind, um auch Gespräche während der eineinhalbstündigen Setlist weitestgehend zu unterbinden, während die Darbietung trotz einer latent gehemmten Stimmung im Publikumsbereich dennoch absolut funktioniert.
Einziges relevantes Manko bleibt (nein, nicht das aus unerklärlichen und unnötigen Gründen nach jeder Nummer angehende Saallicht) der Sound im Forumkloster: Vor allem Snare und Gesang werden gerade in den ruhigeren Momenten von hinteren Bereich der Halle im frustrierendem Hall zurückgeworfen, was in den (glücklicherweise überschaubar bleibenden) auffälligsten Momenten wirkt, als würde ein Besoffener zeitverzögert mitsingen.
Ansonsten gibt es praktisch nichts auszusetzen, die Musik lässt sich trotz all der Umstände nicht in den Hintergrund drängen.
Zuallererst natürlich wegen dieser fantastisch eingespielten Band, die von auf den Punkt trunkenen Bläsern über bittersüße Streicher-Akzente und grundierende Tasten-Instrumente die dynamisch angetriebenen Songs mit enormer Spielfreude und variabler Bandbreite darbieten (besonders die Schlagzeugarbeit, auch komödiantische Ader in beispielsweise Kumma Ned, von David Schweighart kommt einen eindrucksvoll-kräftiger Motor gleich), derweil immer wieder alle Musiker als gesangliche Verstärkung mit in die Songs hereinbrechen. Nicht nur Fang Da Nix An wird so ein schräg-triumphaler Ausstieg bereitet, dass die Liveinterpretationen in jedem Fall noch einmal deutlich über den Studioversionen stehen, die Verneigung in Gitti ist also angebracht.
Mit dieser Gang im Rücken tänzelt Voodoo Jürgens (der selbst nur selten zur Gitarre greift und in ’S klane Glücksspiel sogar einen kleinen Soloausflug zupft) freilich betont nonchalant durch den Abend voller Highlights. Hansi da Boxer verliert alles nervige Potential (und wirkt zudem selbst dann absolut authentische, wenn der 37 Jährige Öllerer meint, dass sich die jungen im Publikum wohl nicht mehr an den 60er-Jahre-Sportler erinnern können), Weh au weh gelingt besonders beseelt-zurückgenommen und Angst haums schrammt an der exzessiven Kakophonie vorbei.
Am besten kommt der süffige Charm aber in den ruhigen Szenen zum Tragen. Im minimalistischen In deiner Nähe etwa („Ein L’Amour-Hatscher, was zum schmusen… was…schwer ist in diesen Zeiten…außer man kennt seinen Partner…und er getestet ist!“) oder der atmosphärischen Endzeitballade Fensterbrettl. Vor Heite grob ma Tote aus mit seinem dubbig eingeleiteten Call and Response-Part scheint es, als würde die Reihenfolge der Lieder spontan zusammengestellt auch auf impulsive Zwischenrufe reagieren – das angekündigte Tulln gibt es wunderbar arrangiert aber erst im Zugabenblock einer Setlist, der man (gerade angesichts der aktuellen Umstände und konzerttechnischen Ausnahmesituation) höchsten ankreiden kann, sich ohne große Risikobereitschaft auf die üblichen Verdächtigen zu konzentrieren.
Setlist:
Wien bei Nacht
Nochborskinda
3 Geschichtn ausn Café Fesch
Schworz wie Kindspech
Fang Da Nix An
Scheidungsleichn
Wem gheard des Mensch?
Hansi da Boxer
Gitti
In deiner Nähe
Ohrwaschkräuler
2l Eistee
Olles nimma deins
S klane Glücksspiel
Kumma ned
Heite grob ma Tote aus
Weh au weh
Angst haumsEncore:
Fensterbrettl
Tulln
Heast do hob i scho gnua
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