N.E.R.D. – No One Ever Really Dies

von am 5. Januar 2018 in Album

N.E.R.D. – No One Ever Really Dies

Pharrell Williams, Chad Hugo und Shay Haley reaktivieren N.E.R.D. sieben Jahre nach dem egalen Nothing für das Quasi-Selbstbetitelte zwischen einer relativen Neuerfindung am aktuellen Zeitgeist und typischen Neptunes-Trademarks. Kann man machen.

Vom beinahe analogen, Rock-infizierten Sound der Anfangstagen ist auf Studioalbum Nummer 5 jedoch kaum mehr etwas auszumachen – die dominanten Gitarrenlicks im gleichzeitig entspannt und nervös nach vorne tänzelnden Voilà (mit Gucci Mane und Wale) orientieren sich etwa primär am Funk und bleiben eher vage verweisende Spurenelemente als gravierende Präsenz, auch Deep Down Body Thurst arbeitet dermaßen, wenn das Trio Thundercat’sche Brainfeeder-Elemente für den Dancefloor transkribiert.
Schließlich orientiert sich das Trio auf No One Ever Really Dies generell deutlicher am rein Pop-geprägten Solo-Sound von Vampir Pharrell, adaptiert hinter einer strukturell minimalistisch gehaltenen Textur (ala fetzige Trio meets zappelnde Young Marble Giants) der so unheimlich aufgeräumten Klangpalette diesmal vor allem zeitgenössische Muster aus dem Trap-Geschehen, ohne sich dafür stereotypen Ratterbeats und unangenehmen  Adlips auszuliefern

Die versammelten 45 Minuten der fünften N.E.RD.-Platte klingen modern und doch charakteristisch an der geschmeidigen Ästhetik der Neptunes geschult. No One Ever Really Dies groovt und geht sofort in die Beine; ist enorm tanzbar, elegant und lässig, funktioniert locker aus dem Handgelenk kommend deutlich lockerer und erfrischender, als Nothing oder Seeing Sounds, und hat zudem mehr Substanz und effektivere Hooks als Pharrells Blender G I R L.
Gleich das stark eröffnende Lemon installiert mit seinem minimalistisch entschlackt hibbeligen Bounce den skelletierten Groove der Platte und bietet einer unheimlich cool fesselnden Rihanna abseits ausgelutschtert Refrain-Cameos eine fantastische Rap-Podium; 1000 (mit Future) konzentriert sich als Rhytmusgerüst auf gefinkelte Midi-Synthies und pumpt dezent trappig – noch besser übersetzt ESP den aktuellen Trend über eine orientalische Färbung in den N.E.R.D.’schen Kosmos. Don’t Don’t Do It ist herrlich verspielt, wie eine bunte Hatz aus der furustischen Lounge in die Computerspielwelt und packt noch King Kendrick Lamar dazu; Lightning Fire Magic Prayer gibt sich dagegen entschleunigt am 80er-Ambient angelehnt, leger und unaufgeregt, öffnet eine schön-hypnotische Weite hinter seinen Beats.

Letztendlich krankt das beste Studioalbum der Band seit ihrem bis heute starken Debüt In Search Of… allerdings an markanten Kleinigkeiten hinter der infektiösen Griffigkeit. Weil die meisten Songs grundsätzlich zu lang ausgefallen sind und damit immer wieder die Grenze zur enervierenden Penetranz zu übertreten riskieren; weil viele davon auch weniger kohärent konstruiert sind, als vielmehr wie unfertig zusammengesetzte Variationen um eine Idee wirken:Switchen N.E.RD. einfach das Tempo und pappen auf die letzten Meter einer Nummer noch die Ansätze einer weiteren Kompositionsskizze ist das weniger progressiv, als vielmehr ein nicht zu Ende gedachter Twist, der durch seine Wiederholung zum typischen Muster wird.
Zudem zündet No One Ever Really Dies zwar schmissig ins Ohr gehend, gefällt und unterhält praktisch ohne Umwege, tut dies aber auch enorm unverbindlich und ohne relevante Nachhaltigkeit. Eine Platte also, die mit reduziertem Anforderungsprofil beiläufigen Spaß macht und unterhält, aber nach dem „Aus den Augen aus dem Sinn„-Prinzip abshaked.

Und doch: Erst dass N.E.R.D hinten raus nach einigen ohnedies leer getätigten Metern das potente Material ausgeht und sich deswegen im letzten Drittel zu viele Rohrkrepierer aneinander reihen, verkauft No One Ever Really Dies jedoch tatsächlich unter Wert. Rollinem 7’s kommt beispielsweise nicht über die eigene B-Seiten-Baustelle hinaus, in der uninspiriert wiederverwertete Motive zusammengepanscht werden; das überdrehte Kites destilliert alles, was man mittlerweile leider an M.I.A. nervig finden kann und erschöpft zudem endgültig den grundlegenden Sound der Platte – da kann auch Kung Fu Kenny Lamar nichts retten. Die dubbige Beach-Reggae-Nichtigkeit wirkt dann ohnedies eher wie eine Ausrede, um sich Ed Sheeran in die Feature-Liste pappen zu können.
Weitere Gastauftritte wie jene von A$AP Rocky, Mary J. Blige oder Cara Delevingne werden hingegen unter den Tisch gekehrt und stehen damit kaum symptomatisch für die muntere Oberflächlichkeit einer mit offenen Karten spielenden Platte: Schummeln sich die stärksten Selektionen No One Ever Really Dies zukünftig heimlich in etwaige Playlisten, wird man gut gelaunt mitwippen.

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