Billie Eilish – No Time to Die

von am 16. Februar 2020 in Single

Billie Eilish – No Time to Die

Als jüngste Musikerin, die je den Titelsong für 007 liefern durfte, verhebt sich (die abermals im kongenialen Gespann mit ihrem Bruder Finneas O’Connel arbeitende) Billie Eilish nicht an No Time To Die.

Gerade mit einem solchen Titel und Norman Fucking Rockwell im Rücken wäre die naheliegendste Wahl für den Schwanengesang von Daniel Craig als James Bond wohl Lana Del Rey gewesen – die näher am Zeitgeist getroffene Entscheidung allerdings, die mittlerweile immer noch erst 18 Jährige Senkrechtstarterin Eilish (auch als Magnet für ein jüngeres Publikum) zu rekrutieren. Dass der subjektive Wunschgedanke (noch) perfekter gepasst hätte, scheint sich zumindest nach dem ersten Durchgang von No Time to Die durchaus zu bestätigen: Gefühlt passiert wenig bis nichts in den knapp vier Minuten von No Time to Die – weder der pathosschwer erdrückende Bombast von Skyfall noch eine üppige Karambolage wie Another Way to Die.
Klug und überlegt komponiert suhlt sich Eilish vielmehr mit Finneas am Klavier in einem guten, aber auch enttäuschenden Stück sehnsüchtiger, melancholischer Elegie – und ein bisschen zu viel leisetretender Langeweile. Ein Eindruck, der sich allerdings doch bald relativiert, und No Time to Die gerade über die unstillbar bittersüße „Fool me once/ Fool me twice/ Are you death/ Or paradise“-Hook als subversiv gar nicht mehr aus dem Ohr wollenden Grower installiert.

Eilish stellt hier eigene Trademarks in den Dienst der Sache, muß ihre Handschrift nicht ablegen, um dennoch eine Nummer abzuliefern, die den klassischen Motiven des Franchise gerecht wird. Entgegen der Erwartungshaltung steht dies keineswegs im Gegensatz zu der Form des Minimalismus, den sie rund um When We All Fall Asleep, Where Do We Go? (2019) geprägt hat, sondern erweitert diesen viel mehr über eine mit subtil nuanciertem Bond-Orchester ausgeschmückte Ballade filigran.
Als wäre der von Eilish mit Everything I Wanted eingeschlagene Kurs im paradoxen Spagat aus entschleunigter Reduktion und sanft unter das Geschehen gespülte Streicher und Bläser (wenngleich an etwas vorhersehbar akzentuierten Stellen) in die Breite gegangen: Die Atmosphäre gestaltet sich in softer Eleganz, folgt irgendwann einem sparsamen Rhythmus in vertraute Gefilde, lässt aber im peripheren Sichtfeld eben Arrangements außerhalb der Komfortzone zu. Die patentierte Reverb-Gitarre im Hintergrund erzeugt eine leise Dramatik, der nur am Anfang zu sehr auf Verletzlichkeit murmelnde Vibrato-Gesang gewinnt nach und nach an Stärke.

All das hat doch eine zeitlose Klasse, die der finale Klimax mit wunderbarer Produktion in der kurzen Opulenz allerdings kaum überwältigend und wenig kreativ inszeniert gipfeln lässt, der Weg dorthin aber eben mit einem stillen Suchtfaktor streichelt.
Trotz seiner Qualitäten hinterlässt No Time to Die deswegen letztendlich zwar immer noch den Eindruck, dass keineswegs unbedingt das volle Potential der Nummer ergründet wurde, wenn das nicht restlos befriedigendes Gefühl bleibt, das die Single mit einem erschöpfenderen Spannungsbogen vielleicht noch gewichtiger ausgelegt hätte werden können. Das ändert aber weder etwas an der hiermit unterstrichenen Ausnahmestellung von Eilish, noch an der Tatsache, dass sie (wenn auch mit deutlichem Respektsabstand) hinter Spectre den zweitbesten Bond-Song seit vielen, vielen Jahren ausgenommen hat.

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