Bismuth – The Slow Dying of the Great Barrier Reef

von am 27. November 2018 in Album

Bismuth – The Slow Dying of the Great Barrier Reef

Bismuth suhlen sich auch auf ihrem zweiten Studioalbum in minimalistisch aufblühendem Funeral Doom, der über den sphärischen Drone zum Dark Ambient treibt, und dabei mit der Reduktion auf Synthies, Bass und Drums in grausam- bezaubernde Lagen der Katharsis abtaucht.

Das Selbstbewusstsein des Duos aus dem UK ist dabei merklich gestiegen: Gerade einmal zwei Songs – ein 32 minütiger Monolith samt verhältnismäßig kompakten Appendix mit über 6 Minuten Spielzeit – stemmen dieses Zweitwerk, auf dem Bismuth ihr auf atmosphärischen Soundscapes gewachsenes Genre-Amalgam um das Quäntchen konsequenter zu erforschen versuchen, als bereits auf Unavailing von 2015.
Der Großteil der Verantwortung liegt dafür natürlich auf dem überlangen Titelsong. Apokalyptisch finsterer Synthie-Drones malen ungemütliche Ambientflächen, in dessen Resonanzkörper der wellenförmige Hall eines rostigen Bassgeklampfes geschickt wird. Der ätherische Gesang von Tanya Byrne beginnt über und zwischen den Texturen zu schweben, konterkariert die Düsternis mit einer  naiv-unschuldig verträumten Klarheit. Dennoch wirkt der Klangteppich in seiner absolut entschleunigten Repetition ungemütlich, hat gleichzeitig eine imaginative Weite und beengende Dichte, schiebt sich zudem immer eruptiver zusammen, lässt seine Amplitude in Nuancen immer weiter ausholen. Im Hintergrund beginnen die Drums von Joe Rawllings und avantgardistische Effekte zu wimmeln, Bismuth sammeln ihren Groll.

Nach knapp 10 Minuten platzt The Slow Dying of the Great Barrier Reef doch plötzlich, aber nicht als Genre -Plattitüde auf. Dann ist das Herzstück der Platte trotzdem kreischend-brüllender Doom in absoluter Zeitlupe und hypnotischer Heavyness, wütendes Ungemach, beinahe sogar eine Melange aus der Erhabenheit von Bell Witch und dem eindringlichen Nihilismus von Primitive Man.
Grandios, mit welcher physischen Gewalt und Eleganz der Bass das monströs-böse Riff anzutauchen beginnt, über dem die Effekte wie rohe Blackened-Gitarren kreischen, ohne tatsächlich aggressiv zu sein. Viel eher scheint der Song in sich selbst zu verweilen, zu thronen und entgegen seines Titels ein wachsender Brutkasten zu sein, der mit seiner Gravitation anzieht und verschlingt.
Das ausbremsende Momentum nach knapp 18 Minuten kommt deswegen auch eine Spur zu abrupt – im Vernähen der einzelnen Passagen könnte The Slow Dying of the Great Barrier Reef tatsächlich etwas runder agieren. Doch heiligt der Zweck die Mittel. Der schleppend geborene Drone ist wunderbar: Erst zurückgenommen, dann wuchtig erhebend, bevor Bismuth den Song immer weiter abebbenden lassen, über nautische Gitarrenklänge zwischen frühen Isis und aktuellen Big | Brave zurück zu den Ursprüngen von The Slow Dying of the Great Barrier Reef finden und sich dabei geduldig alle Zeit der Welt nehmen, um wie in Trance wegzudriften.

Damit definiert sich The Slow Dying of the Great Barrier Reef (der Song) jedoch eher durch seine überbordende, instinktive Struktur und entwickelte Ästhetik, weniger durch konturiertes Songwriting. Was für sich alleine stehend auch sehr gut funktioniert – als Mammutstück einer zweiteiligen Platte jedoch die Wahrnehmung und Emotionen unausgegoren verschiebt. Schließlich ist für Prägnanz nämlich praktisch allein Weltschmerz im Anschlusszuständig: Die relativ straight und schnörkelig agierende Abrissbirne wälzt sich sofort mit einer Wut dahin, grollt sein Riff schwerfällig über den Rhythmus schleifend, verfällt in einen garstiger Groove, der einen feinen Appendix, darstellt, nach The Slow Dying of the Great Barrier Reef aber eben auch (zu?) simpel, frontal und durchsichtig agiert.
Gerade im Verbund hätte das vorangestellte Monstrum insofern entweder besser gelingen können, wenn Bismuth den unmittelbar zu packen gedenkenden Climax zur Mitte der Nummer noch charakteristischer ausgearbeitet und definierter kompositorische Akzente gesetzt hätten – oder aber einfach das stilistisch homogene, starke Ceres in den Albumkontext eingegliedert hätten, anstatt es auf der Split mit Legion of Andromeda zu verbrauchen: Als schlüssigen Kontrastpunkt am Ende der Platte wäre so mehr Gleichgewicht für das Gesamtwerk entstanden.
So aber mäandert The Slow Dying of the Great Barrier Reef (das Album) nach dem unmittelbaren Ende von Weltschmerz ein wenig unentschlossen zwischen seinen Polen, entlassen Bismuth auch ein wenig ratlos, in der Luft hängend. Daher die Balance der Platte und die Dynamik auf Gesamtsicht ein wenig aus dem Fokus geraten ist, kommen die Referenzgrößen für Bismuth intensitätstechnisch auslaugend deswegen auch (noch) nicht gänzlich in Greifweite. Macht aber wenig – denn nichtsdestotrotz sind die Engländer auf dem richtigen Weg.

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