Bob Dylan – Bootleg Series, Vol. 10: Another Self Portrait (1969-1971)
Dass Bob Dylan mit ‚Self Portrait‚ 1970 absichtlich ein mieses Werk abliefern wollte um nach einer Handvoll schier übermenschlich brillanter Veröffentlichungen nicht länger als gottgleich betrachtetes Genie verehrt zu werden, kann man wohl getrost in die Welt der von Dylan selbst um seine eigene Person kreierten Mythen einreihen.
Dennoch hätte das zehnte Album des Robert Zimmermann nicht zwangsläufig einen ersten mediokren Rückschlag (unter vielen – aus heutiger Sicht betrachtet) bzw. einen qualitativen Weltuntergang (aus verbriefter „What is this shit?„-Sicht von Zeitzeugen) darstellen müssen, wie nun der zehnte Teil der Perspektiven-geraderückende Ausgabe der stets so fabelhaften Bootleg-Serie beweist. Mit dem Fokus auf eben jenem ‚Self Portrait‚, sowie dem schnell nachgeschobenen (eigentlich im selben Rutsch geschriebenen, aber erst später zum Album kompilierten) Beschwichtiger ‚Another Morning‚ (1970) und einigen wenigen Vertretern des vorangegangenen ‚Nashville Skyline‚ (1969 anstandslos erkennbar am knödeligen Gesang) zeichnet der Doppel-Tonträger nicht nur ein durchwegs produktives Bild der Dylan-Phase zwischen 1969 und 1971, sondern auch ein ungemein aufklärendes: zahlreiche Songs strahlen in den Demo- und Alternative-Versionen deutlich heller als es die regulären Veröffentlichungen tun. Absolutes Paradebeispiel: die zurückgelehnte, spartanischere Variation von ‚Time Passes Slowly‚ stellt die auf ‚Another Morning‚ verwendete Version gefühlvoll und unangestrengt meilenweit in den Schatten.
Über 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung führt die (nur der Deluxe Version von ‚Bootleg Series, Vol. 10: Another Self Portrait‚ beigepackte, kraftvoll remasterte, aber letztendlich ziemlich überflüssige) Neuauflage der Original-Platte dazu abermals, dass ‚Self Portrait‚ im Rückblick sicherlich nach wie vor eine schwache Platte Dylans ist, zudem ein schwieriges Jahrzehnt einläutete, jedoch nicht (mehr) der absolute Rohrkrepierer ist, als der sich das Album 1970 angefühlt haben muss, und sich das Album schönzuhören funktioniert noch leichter über den Umweg ‚Bootleg Series, Vol. 10: Another Self Portrait (1969-1971)‚. Während man mit all den Coversongs, Traditionals und seicht unterhaltenden Popannäherungen also mittlerweile zumindest Frieden geschlossen haben kann, verdeutlicht vor allem der zweite Tonträger der regulären Bootleg-Veröffentlichung , dass ‚Self Portrait‚ ohne all die von Bob Johnston in der Nashviller-Postproduktion hinzugefügten Overdubs nämlich tatsächlich ohnedies weitaus stärker ausgefallen wäre. Die Original Master Aufnahmen lassen ‚Wigwam‚ als schmalzbefreiten Ohrenschmeichler strahlen, das streicherbefreite ‚Belle Isle‚ weniger plakativ harmoniesüchtig schwelgen, die Sicht auf das Songwriting und all das einst verschenkte Potential wird freigelegt.
Dazu türmen sich auf der ersten CD zahlreiche unveröffentlichte Aufnahmen von eigenen Songs und Coverinterpretationen, die einmal mehr unterstreichen: das Problem dieser Phase Dylans war weniger das (zugegebenermaßen deutlich schwächer gewordene, aber immer noch vereinzelt mit Geniestreichen wie ‚When I Paint My Masterpiece‚ auftrumpfende) Songmaterial, als vielmehr die gallige, selbstgefällige Produktion. Weswegen ‚Bootleg Series, Vol. 10: Another Self Portrait (1969-1971)‚ zwar alleine aufgrund des Ausgangsstoffes zwar natürlich von Haus aus nicht als beste Veröffentlichung der Reihe auftrumpfen kann, aber eben als Aussöhnung mit einem Tiefpunkt doch auch mehr als nur Ergebniskosmetik betreiben kann, in seinen stärksten Momenten sogar kleine magische Momente bereit hält.
Getrübt wird die Freude über ‚Vol. 10‚ deswegen wenn überhaupt auch nur durch das beibehaltene Konzept der simultan veröffentlichten Deluxe-Version. Die bereits erwähnte vierte Disc kann den Aufpreis keinesfalls rechtfertigen, während Disc 3 zumindest für Hardcorefans ein Muss darstellt: endlich gibt es Dylans Aufrtitt mit The Band Ende August 1969 am Isle of Weight Festival im remasterten Soundgewand in voller Länge zu hören. Dass die Mitschnitte von ‚I’ll Be Your Baby Tonight‚, ‚Like a Rolling Stone‚, ‚The Mighty Quinn (Quinn the Eskimo)‚ und ‚Highway 61‚ deswegen allesamt doppelt auf ‚Bootleg Series, Vol. 10: Another Self Portrait (1969-1971)‚ kann man trotzdem als Platzverschwendung empfinden – und im günstigsten Fall 60 Euro für das schick aufbereitete Gesamtpacket doch durchaus noch als teuer.
[amazon_link id=“B00DY951TO“ target=“_blank“ ]Vinyl LP auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B00DW5IM9Q“ target=“_blank“ ]CD auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B00DZET6D0″ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link]
Kommentieren